Weltweite Kampagne gegen Treibhauseffekt

■ Internationale Öko-Gruppen gründen in Washington das „Globale Treibhaus-Netzwerk“

Anfang dieser Woche trafen sich 90 VertreterInnen aus 35 Ländern und fünf Kontinenten, um ein internationales Netzwerk zu den globalen Klimaveränderungen aus der Taufe zu heben. Jahrtausendelang waren die Temperaturen konstant, jetzt beginnen sie zu steigen. Geschieht jetzt nichts, steht eine globale Öko-Katastrophe bevor. Verantwortlich für die Klimaveränderungen sind die Industrieländer mit ihrem immensen Verbrauch an Energie und der dadurch bedingten Zerstörung der Ozonschicht.

Washington (taz) - Für die Zukunft des Planeten wird letztendlich entscheidend sein, ob wir unsere Umweltprobleme mit „menschlicher Schlauheit oder Weisheit“ angehen. Dies bemerkte Wes Jackson, Leiter eines Instituts für biologische Landwirtschaft in den USA, gegenüber den Teilnehmern der „Ersten Internationalen Konferenz“ des 'Globalen Treibhaus Netzwerks‘ Anfang dieser Woche in Washington.

„Schlauheit oder Weisheit“ - „cleverness“ oder „wisdom“ dieser Gegensatz zog sich in immer wieder neuer Form durch die dreitägige Konferenz: „kurzfristige oder langfristige Lösungen“, „technologische Schnellreparatur oder fundamentale Änderung des modernen Lebensstils“, „rationales Wissenschaftsdenken oder ethisches Verantwortungsbewußtsein für die Schöpfung“. 90 Vertreter verschiedenster Graswurzelorganisationen aus 35 Ländern und fünf Kontinenten waren zusammengekommen, um eine weltweite Kampagne gegen die Ursachen des Treibhauseffekts aus der Taufe zu heben, den Veranstalter Jeremy Rifkin als die „möglicherweise bisher schwerste Umweltbedrohung für die Menschheit“ bezeichnete.

Die wissenschaftlichen Befunde, die zu Anfang der Konferenz von Fachleuten kurz vorgestellt wurden, sind kaum noch umstritten: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die globalen Durchschnittstemperaturen als Resultat menschlicher Aktivitäten um 0,7 Grad angestiegen. Dies mag für den Laien eine geringfügige Veränderung sein, doch zu denken gibt, daß seit Ende der letzten Eiszeit vor über 10.000 Jahren die Temperaturen global um nicht mehr als insgesamt zwei Grad geschwankt haben.

Fahren wir fort, unsere Atmosphäre mit den Nebenprodukten unserer Industrien zu belasten, so prophezeien uns die Wissenschaftler bis Ende des 21. Jahrhunderts Temperaturanstiege um fünf Grad im günstigen und bis zu 16 Grad im schlimmsten Fall. Katastrophale Folgen wie der Anstieg der Meeresspiegel und Überflutung der Küstenregionen, Klimaänderungen, die die Landwirtschaft und somit die menschliche Ernährungsgrundlage beeinträchtigen und zur Zerstörung ganzer Ökosysteme mit den von ihnen abhängigen Lebewesen führen, gelten als geradezu unvermeidlich. Wir müssen deshalb sofort, so die Abschlußerklärung der Konferenzteilnehmer, mit fundamentalen Änderungen in unserem Energieverbrauch, in unserer Landwirtschaft, unserer Ernährungspolitik und unserer Rohstoffnutzung beginnen.

Dieses immense Problem ist jedoch nicht erst seit kurzem bekannt. Der Treibhauseffekt, das wurde klar, ist die Folge und Vernetzung von weltweiten Problemen, gegen die besorgte Menschen weltweit schon seit Jahrzehnten kämpfen. So war es selbstverständlich, daß sich die Konferenz aus Vertretern von Umwelt- und Landwirtschaftsorganisationen, Wissenschaftlern und Verbraucheranwälten, Tierrechtlern und Naturschützern sowie Befürworten einer fortschrittlichen Entwicklungspolitik und Delegierten der Kirchen zusammensetzte.

Vorrangige Verursacher der globalen Erwärmung, so lautete wiederholt der Vorwurf von Vertretern der Dritten Welt, sind die nördlichen Industriestaaten mit ihrem immensen Energieverbrauch, der einen verschwenderischen Lebensstil ermöglicht. (Siehe Kasten und Interview). „Clevere“ technologische Lösungen des Problems wie sparsamere Glühbirnen und Autos, Verminderung des Energieverlusts in Kraftwerken und Industrie und die Entwicklung alternativer Energiequellen können nach Ansicht der Konferenzteilnehmer nur kurzfristig Abhilfe schaffen. Langfristig können die von der Technologie verursachten Probleme nicht mit weiterer Technologie gelöst werden. Deshalb geht es darum, besonders in den Industrieländern, weiser mit Rohstoffen umgehen zu lernen.

Reinhard Löske von den 'Grünen‘ nannte dazu als erste Priorität eine weitgehende Verminderung des Individualverkehrs. Vertreter der alternativen Landwirtschaft aus Industrie- und Entwicklungsländern forderten auf lange Sicht eine Abkehr vom Ackerbau der „Grünen Revolution“, der hohe Mengen an Kunstdünger und Pestiziden fordert, deren Herstellung und Abbau zum Treibhauseffekt beitragen. Jeder Verbraucher, so Ökobauer Terry Gips aus Minnesota angesichts der Berge von Schinken, die den Konferenzteilnehmern zum Lunch serviert wurden, könne sich für biologischen Anbau einsetzen, indem er „organisch angebaute Lebensmittel vorzieht und weniger Fleisch verzehrt“.

Gut ein Drittel der Delegierten gehörten religiösen Organisationen an. Wesley Granberg-Michaelson vom Weltkirchenrat bestätigte, daß die Kirchen in den letzten Jahren zunehmend Umwelterziehung zu ihrer Aufgabe machen. Über die Aufklärung hinaus aber, fügte er hinzu, gehe es den Kirchen darum, den Menschen eine neue „ethische und spirituelle Sicht der Erde“ zu vermitteln. Umweltprobleme seien auf lange Sicht nur lösbar, wenn der Mensch die „Unantastbarkeit der Schöpfung“ verinnerliche.

Silvia Sanides