: Ein Gespräch mit Nagib Mahfus
taz: Nagib Mahfus, was sind ihre Gefühle, einen Tag nachdem Sie erfahren haben, daß Sie den Nobelpreis bekommen haben?
Mahfus: Das ist schwierig, ich habe mich das seitdem selbst hundertmal gefragt. Die Wahrheit ist, ich war völlig überrascht, ich habe das nicht erwartet. Ich hatte gehört, daß ich in vergangenen Jahren öfter im Gespräch war, aber nicht jetzt. Ich habe nie an an den Nobelpreis gedacht, ich habe nie für ihn gekämpft.
Für welches Buch haben Sie den Nobelpreis erhalten?
Das weiß ich auch nicht, ich weiß bisher nicht viel mehr, als daß ich den Preis erhalten habe. Fragen Sie Stockholm. Aber ich nehme an, für die Triologie und für Die Kinder unseres Viertels.
Was werden Sie mit dem Preisgeld machen?
Fragen Sie meine Frau.
Die Tatsache, daß Sie den Preis gewonnen haben, ist das auch eine Chance für andere arabische Autoren?
Ganz sicher. Ich bin schließlich nicht der einzige arabische Schriftsteller, der den Preis verdient.
Glauben Sie, daß Autoren aus der sogenannten Dritten Welt bei der Preisvergabe weniger berücksichtigt werden, als europäische?
Ja. Erst als sie (das Komittee) beschlossen, sich auch arabische Literatur anzuschauen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als uns den Preis zu geben.
Fühlen Sie Genugtuung?
Die Welt wird nun wissen, daß Ägypten nicht nur Kamele und Tiere hat, die aus dem Nil kriechen. (Nach einer Weile): Der Westen weiß nun, daß wir Araber nicht nur Wüsten und Öl haben, sondern auch Schriftsteller.
Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Situation Ägyptens?
Es gibt keinen Zweifel, daß wir uns in einer schwierigen Lage befinden. Wir tun, was wir können, um da herauszukommen. Es gibt aber bestimmte Leute und Organisationen in unserer Gesellschaft, die sitzen nur rum und warten. Sie nutzen die Gelegenheit, um die Gesellschaft zu mißbrauchen. In dieser Situation können wir nur auf (inneren) Frieden hoffen.
Wissen Sie, daß Israel Ihnen gratuliert hat?
Ja, Shimon Peres hat mir ein Telegramm geschickt, extra über einen Boten. Das ist sehr schön.
Ist es Ihnen jemals passiert, daß Sie nicht alles schreiben konnten, was Sie wollten?
Nein, dies kam nie vor.
Das Buch „Die Kinder unseres Viertels“ wurde in Ägypten nie gedruckt.
Es wurde 1959 in der Zeitung „Al Ahram“ in Fortsetzungen gedruckt.
Als Buch kam es aber nur im Libanon heraus.
Unsere Regierung wollte nicht, daß es Wellen schlug.
Warum haben Sie 1952, nach der Revolution, sieben Jahre nichts veröffentlicht? Woran lag das, an der neuen Regierung?
Nein, es ging nicht um Politik. Die ganze Gesellschaft veränderte sich damals.
Welche europäischen Autoren haben Sie beeinflußt?
Alle sind von Interesse: Thomas Mann, Hemingway, Balzac, Proust, Galsworthy.
Welchen zeitgenössischen Schriftsteller würden Sie gerne einmal treffen?
Garcia Marquez aus Kolumbien.
Warum?
Er gehört zur Dritten Welt, wie ich. Ich bin sicher, wir hätten uns eine Menge zu erzählen ... (lacht). Wir wären sehr ehrlich zueinander, könnten einen Kuchenteig kneten (Arabische Redensart für: Es gäbe keine Barrieren).
Waren Sie jemals in Deutschland?
Nein.
Sie sind immer in Ägypten geblieben?
Ja, ich war nur zweimal auf offiziellen Reisen: In Jugoslawien und im Nord-Jemen, nach dem Coup von 1962.
Welches Ihrer Bücher würden Sie einem deutschen Leser am meisten ans Herz legen?
„Die Midaq-Gasse“ und „Unterhaltung am Nil“.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft, werden Sie weiterschreiben?
Ja natürlich, Inschallah (so Gott will).
Sie haben gesagt, Sie würden wahrscheinlich nicht am 10.12.nach Stockholm zur Preisverleihung fahren?
Ich habe mich noch nicht entschieden. Wissen Sie, ich bin ein alter Mann, ich kann nicht mehr richtig hören. Ihnen kann ich sagen, daß Sie bitte lauter sprechen sollen. Aber was ist, wenn der schwedische König zu mir spricht? Ich kann ihm doch nicht auf Arabisch sagen, er soll lauter sprechen. Ich weiß noch gar nicht, was ich machen soll, was man von mir erwartet.
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