: „Intelligente Gebäude“ in „intelligenten Städten“
In Köln soll der erste „Teleport“ der Bundesrepublik entstehen /Das Telekommunikationszentrum ist ein Kind der Deregulierungsinitiative der Reagan-Regierung ■ Aus Köln Martin Fischer
Die Welt mit einem Netz von zentralen Telekommunikations„häfen“ zu überziehen, und dabei Kunst, Kultur und Landschaft, aber auch die Geschäfte, die der Immobilienmarkt bietet, nicht zu vernachlässigen - dieses anspruchsvolle Ziel hat sich die „World Teleport Association“ (WTA) gesetzt, eine Gesellschaft mit über 100 Mitgliedern aus Behörden, Finanzwelt, Handel, Wirtschaft und Industrie. In der Bundesrepublik soll ein „Teleport“ jetzt in Köln auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Gereon entstehen. Zur Unterstützung des Projektes fand denn auch die diesjährige Jahreshauptversammlung der WTA am vergangenen Freitag in Köln statt.
Erst am 9.September war die „MediaPark Köln GmbH“ gegründet worden. Unter Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Köln vermarktet sie als privates Unternehmen das Bahnhofsgrundstück in der Innenstadt, auf dem „eine Mischung aus Medienproduktion, Informations- und Kommunikationstechnik, aus Dienstleistungen, Softwareproduktion, Kunst, Bildung und Unterhaltung, umgeben von einem Park“, entstehen soll. Das unternehmerische Credo setzt auf die Bereitstellung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in Verbindung mit der Vermarktung innerstädtischer Immmobilien.
Die „Teleportbewegung“ ist ein Kind der Reagan -Administration. Zwischen 1982 und 1984 wurde in New York und New Jersey geprüft, wie die Wirtschaft der Regionen mit Hilfe der Telekommunikation angekurbelt werden kann. Unter Beteiligung der beiden Städte kam es 1984 zu einem Joint -Venture-Projekt von Merrill Lynch Telecommunications Systems Inc. für den Bau, den Betrieb und die Vermarktung des New York/New Jersey Teleports auf Staten Island, der eine Satelliten-Erdstation mit einem überregionalen Lichtwellentechniknetz (Glasfaserkabel) verbindet. Die großen US-Telefongesellschaften AT&T, US Sprint, ITT, RCA gehören heute ebenso zu den Kunden, wie die Fernsehgesellschaften ABC, NBC, CBS und NETCOM und festverkabelte Bürokomplexe in Manhattan.
Den Weg in die Zukunft weist der „Telecom 2000„-Bericht, den John Shapliegh von der US-amerikanischen NTIA (National Telecommunications and Informations Administration) für die Reagan-Administration erstellt hat. Auf 700 Seiten wird dargelegt, daß „Deregulierung, Wettbewerbsgeist und freier Markt“ optimale Voraussetzungen für die Entwicklung der Telekommunikation sind. „Der Wettbewerb“, so John Shapliegh auf der 4.Jahresversammlung der „World Teleport Association“ am 14.Oktober in Köln, „bringt nur Vorteile. Je wettbewerbsorientierter ein Markt ist, desto schneller wächst er“. Während in Großbritannien dank Frau Thatchers Privatisierung der Post („Deregulierung“) der Telekommunikations-Markt doppelt so schnell wächst wie das Bruttosozialprodukt (BSP), liegt in Kanada das Wachstum des Tele-Marktes unter der 50 Prozent-Marke des BSP. Diagnose: Mangelnde Deregulierung.
Shapliegh „teilt den Optimismus, daß sich der Realitätssinn durchsetzt“. Sehr bald werden wir „immer mehr intelligente Männer und Frauen haben, die in intelligenten Städten leben“.
Am Weltmarkt für Telekommunikation beträgt der Anteil der USA 35 Prozent, Japan liegt bei 11 Prozent, kein EG-Staat kommt derzeit über 6 Prozent hinaus. Seit 1984 arbeitet auch die Europäische Gemeinschaft an einer gemeinschaftlichen Telekommunikationspolitik. Untersuchungen der EG-Kommission haben ergeben, daß ab 1996 „geschäftliche Nutzer“ einen stark angestiegenen Bedarf an Breitbandkommunikationsdiensten wie Videokonferenz, Bildfernsprechen, sehr schnelle Datenübertragung, sehr schnelle Faksimileübertragung, Tonübertragung mit hoher Qualität (HDTV) haben werden. Nach einer nur sechsmonatigen Diskussion hat die EG-Kommission „Leitlinien“ geschaffen, die sie in ihrem 1987 vorgelegten „Grünbuch Telekommunikation“ skizziert und am 30.Juni 1988 beschlossen hat: Vollständige Öffnung des Endgerätemarktes bis Ende 1990, schrittweise Liberalisierung des Marktes für Fernmeldedienste spätestens ab 1989, öffentliche Aufträge ausschließlich nach kommerziellen Kriterien, Trennung der hoheitlichen und betrieblichen Tätigkeiten der Fernmeldeverwaltung.
Die internationale Deregulierung kommt ihren Promotern jedoch nicht schnell genug voran. Obwohl sich Bundespostminister Schwarz-Schilling und Nordrhein -Westfalens Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Joachimsen (SPD) wie alle anderen Redner vehement zu mehr Wettbewerb bekennen, kritisiert WTA-Vizepräsident Tadayoshi Yamada vom „World Trade Center of Japan“, daß Europa noch immer zu wenig auf die „Dynamik des Chaos“ vertraut.
Der Kölner MediaPark ist ein Lieblingsprojekt des WTA -Präsidenten und Merrill Lynch Telecommunications-Chefs Robert Annunziata, da es an einem Ort die Idee der „Teleport -Bewegung“ im vollen Umfang sichtbar werden läßt. Schon jetzt sorgt die zukünftige Verbauung des Kölner „Filetstücks“ zum Ansteigen der Grundstückspreise in der Nachbarschaft. Mieterhöhungen und Verdrängung der ortsansässigen Bevölkerung sind unausweichliche Folgen. Die technische Ausstattung des MediaParks als „intelligentes Gebäude“ wird über das, was durch die demnächst beschlossene „Deregulierung“ von der Deutschen Bundespost an den Markt abgetreten wird, hinausgehen und den Appetit der Unternehmen für weitere Privatisierungen drastisch anregen.
Um „sozialverträgliche Technikgestaltung“ bemühen sich die MediaPark-Betreiber nicht. „Die Grünen“, meint ausgerechnet der Kölner Projektleiter für Kunst und Kultur, „sind natürlich dagegen“. Doch selbst die vom Land NRW in Auftrag gegebene Studie „Optionen des Ausbaus der Telekommunikations -Infrastruktur“ (OPTEK), die vor übertriebener Hektik bei der Entwicklung warnt, und Alternativen zur Technogläubigkeit von Post und Herstellern nennt, wird in Köln ignoriert. Selbst für Joachimsen war die Studie seiner Regierung kein Wort wert. Wie sehr die Telekommunikation dabei ist, vor allem Frauen aus dem Berufsleben hinauszudrängen (OPTEK-Studie), bestätigt die Kölner WTA -Konferenz: Am Podium sitzt eine einzige Frau. Und die bedankt sich mit dem Unsinn von der „Metamorphose von Kunst und Technik“.
Demnächst wird die WTA auch in der „Dritten Welt“ Fuß fassen. China und Jordanien haben in Köln ihre Bereitschaft signalisiert.
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