: Fisch und Schnaps geklaut
■ Ermittlungen gegen Seeleute des bundeseigenen Foschungsschiffes „Walther Herwig“
Gegen den zweiten Nautischen Offizier und den Bootsmann des bundeseigenen Fischereiforschungsschiffes „Walther Herwig“ hat der Bremerhavener Oberstaatsanwalt Eberhard Tscheppan jetzt Anklage erhoben. Den Seeleuten wird vorgeworfen, seit Ende der siebziger Jahre die gefangenen Fische - bis zu 8.000 Kilo pro Jahr - gestohlen und verkauft zu haben. Außerdem sollen sie Proviant und Kantinenware verschoben haben. Der Gesamtschaden wird von der Staatsanwaltschaft auf rund 300.000 Mark geschätzt.
Die „Walther Herwig“ steht im Dienst des Bundes -Landwirtschaftsministeriums. Sie führt im Nordatlantik und in Nord- und Ostsee fischereibiologische, hydrographische und fangtechnische Untersuchungen durch. Insbesondere ist es ihre Aufgabe, die Fischbestände zu überwachen und Ausmaß und Ursachen für den Rückgang vieler Fischarten zu erkunden. Dabei ist sie bisher insbesondere auf die intensive Befischung der untersuchten Gewässer und die Auswirkungen der Umweltvergiftung als Ursachen gestoßen. Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten haben Eingang in internationale Berechnungen und sind damit Grundlage zum Beispiel für die Aufteilung von Fangqouten unter den fischenden Nationen.
Bei der Forschung nach den reduzierten Vorkommen an Kantinenwaren und Alkohol an Bord der „Walther Herwig“ gab es weniger Erfolge. Obwohl bereits Ende der siebziger Jahre erste Unregelmäßigkeiten bekannt wurden, konnten die beiden Seeleute bis Ende 1986 nahezu ungestört ihrer Nebenbeschäftigung nachgehen. Das teilte Staatsanwalt Eberhard Tscheppan gestern mit. So wurden für das Schiff bestellte Kantinenwaren und Proviant umgeleitet, oder aber Waren in Rechnung gestellt, die nie geliefert worden waren.
Die beiden Beschuldigten waren zudem Mitglieder im Personalrat. Sie übten die Funktionen des Vorsitzenden und des Stellvertreters aus. Über diese Ämter hatten sie auf der „Walther Herwig“ ein enges Netz von Abhängigkeiten geschaffen. Damit konnten sie über lange Zeit ihre Nebengeschäfte geheim halten.
Ende 1986 ließen die Zustände an Bord sich nicht mehr geheimhalten. Sogar das Bundeslandwirtschaftministerium schaltete sich ein. Auf dessen Initiative hin begannen Kripo und Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen.
Nachdem die Bremerhavener Staatsanwaltschaft jetzt die Ermittlungen gegen die beiden Hauptangeklagten abgeschlossen hat, werden noch Ermittlungen gegen 30 weitere Personen geführt, darunter frühere Kapitäne und Schiffsoffiziere des Forschungsschiffes, sowie Mitarbeiter von Lieferfirmen.
oma
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