: Grüne Finanzen - zweite Runde
Über ein Drittel der grünen Bundesparlamentarier mißachtet die Parteitagsbeschlüsse, einen Teil ihrer Diäten an die Öko-Fonds der Partei abzuführen / Fraktion hält Details unter Verschluß ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Bei den Grünen bahnt sich ein „Finanzskandal Teil 2“ an: Diesmal steht nicht die Zahlungsmoral gegenüber dem Staat auf dem Prüfstand, sondern der Umgang der Bundestagsabgeordneten mit ihren Diäten. Gemäß den Sindelfinger Parteitagsbeschlüssen müssen die ParlamentarierInnen ihr Salär über ein Grundgehalt von etwa 3.800 Mark hinaus an die Öko-Fonds der Partei spenden, damit die Gelder Umweltgruppen und anderen Initiativen zugute kommen. Rund 17 der 43 Abgeordneten, so verlautete jetzt aus der Bonner Fraktion, pfeifen aber auf die Finanzbedürfnisse der Basis und führen entweder zu wenig oder gar nichts ab. Offenbar hält die Mehrheit der Fraktion die Angelegenheit für so peinlich, daß Namen und Zahlen bisher unter Verschluß bleiben. Nur die Landesverbände bekommen in diesen Tagen per Post Genaueres über ihre Abgeordneten mitgeteiielt.
Der Bundeshauptausschuß der Partei verlangte am Wochenende vergebens eine Offenlegung des Diäten-Gebarens; von dem Geheimhaltebeschluß der Fraktion distanzierten sich öffentlich nur sechs MdBs aus dem ökosozialistischen und links-unabhängigen Spektrum. Regula Bott informierte beim Hauptausschuß demonstrativ über ihre eigenen Finanzen. Verena Krieger: „Es ist erschreckend, daß viele es mittlerweile für selbstverständlich halten, daß Abgeordnete ein teures Leben führen müssen.“ Die Spendenabführung werde als Zumutung oder „Gnadenakt“ empfunden. Tendenziell seien vor allem die Realos gegen eine Offenlegung. Manche Abgeordnete, so erzählt man sich, hätten jetzt „plötzlich zig Familienangehörige“ zu unterstützen - derartige Kosten werden nämlich vom Spenden-Soll abgerechnet.
Den Ökofonds gehen durch die schlechte Zahlungsmoral auf die Dauer Millionensummen verloren. Für 1987 betrug das verlangte Spenden-Volumen über 1,6 Millionen Mark. Der Abgeordnete Peter Sellin klagte bereits in einem Bericht für die zurückliegende Bundesversammlung in Ludwigshafen über die Tendenz, daß die Parlamentarier ihr Geld lieber an persönlich „bevorzugte Initiativen“ geben. Der Hauptausschuß hat der Fraktion eine erneute Frist von drei Wochen gesetzt, um das Diäten-Gebaren gegenüber der Partei offenzulegen.
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