: HIPPIES IM WELTALL
■ John Carpenters „Dark Star“ wieder im Kino
Während in den Siebzigern der Weltraum-Science-Fiction zum special effects-Film degenerierte - von Kubricks Schwulst-Opus 2001 bis George Lucas inhaltsleerer Star Wars-Trilogie - kam 1974 der bis dahin gänzlich unbekannte Filmstudent John Carpenter mit seinem Dark Star heraus. Eigentlich sollte es eine 45minütige Verarschung von Kubricks überfrachtetem Mystizismus werden (und Dark Star ist wirklich einer der wenigen parodistisch angelegten Science Fiction, die sich nicht in Klamauk erschöpfen), aber nach vier Jahren Arbeit hatte Carpenters Film Kinolänge, und - wichtiger - er hatte etwas zu sagen: daß nämlich der ganze Weltraum-Scheiß auf der Leinwand wunderbar aussieht, aber daß irgendwie bei dem Sprung in die Zukunft die Weiterentwicklung des Menschen vergessen wurde.
Ähnlich dem Spät-Western reisen seine runtergekommenen Helden durch neue, unbekannte Räume, aber zu erobern gibt es eigentlich nichts mehr. Da wird mal ein „unstabiler“ Planet gesprengt, damit irgendwann nachfolgende Raumschiffe „freie Fahrt“ haben, doch ansonsten ist es sehr einsam dort oben. Und nicht nur das: nach 20 Jahren ist das Klopapier alle, der Kommandant tot (gestorben an einem Kurzschluß in seinem Astro-Sessel!), und selbst eine intelligenz- und sprachbegabte Bombe (!) weigert sich, dauernd wegen falscher Befehle wieder in den Bombenschacht zurückzukehren.
Die Männer der Dark Star (mit einem weiblichen Computer als Über-Mutter) erzählen sich Dinge, die sie sich alle vor Jahren schon mal erzählt haben, oder suchen die Einsamkeit in der gläsernen Aussichtskuppel, um über die Farben des Regenbogens zu philosophieren: langhaarige Hippies, die bei Country & Western und psychedelischen Farbgewittern durchs All reiten. Den Helden der Dark Star ist der Sinn abhanden gekommen in einer Welt, in der alles machbar scheint, aber am Ende versuchen die dennoch, die sich ihren Befehlen widersetzende Bombe von der Einmaligkeit des Daseins zu überzeugen. Doch der philosophierende Sprengkörper ist die Dunkelheit leid und erhellt das Universum mit einem Licht-Blitz. Seitdem surft ein Überlebender auf einem Wrackteil der Dark Star durchs All ...
Carpenters nur 60.000 Dollar teurer Erstlingsfilm ist sowas wie Apotheose und Negierung des Science Fiction zugleich: Es gibt zwar noch viel zu erobern, aber eigentlich sind wir es leid, immer an unseren menschlichen Schwächen zu scheitern.
Torsten Alisch
Im Alhambra, Klick und Olympia.
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