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CDU zu Barschel-Brief: Alles Lüge! Ehrenwort, Herr Stoltenberg?

CDU bestreitet Eingang des angeblichen Barschel-Briefes / Gleichlautende Erklärungen von CDU-Generalsekretär und CDU Landesverband Schleswig-Holstein / CDU: Mitwisserschaft Stoltenbergs an Barschels „Machenschaften“ zu behaupten, ist ehrenrührig  ■  Von Jürgen Gottschlich

Bonn/Kiel (taz) - „Panorama“ lügt! Das ist der Tenor gleichlautender Presseerklärungen von CDU-Generalsekretär Geißler und dem CDU-Landesverband Schleswig-Holstein zu dem gestern vom Fernsehmagazin „Panorama“ zitierten angeblichen Brief des ehemaligen Ministerpräsidenten Barschel an den CDU -Landesvorsitzenden Stoltenberg. Wie bereits am Dienstag gegenüber der taz bleibt die CDU bei der Behauptung, ein Brief Barschels vom 3.Oktober 1987 sei „weder beim CDU -Landesvorsitzenden noch beim damaligen CDU-Generalsekretär noch bei der Landesgeschäftsstelle der CDU Schleswig -Holstein eingegangen“. Panorama hatte in seiner Sendung am Dienstag abend über die bereits in der taz erschienene Darstellung des Briefes hinaus behauptet, ein Informant des Magazins könne bestätigen, daß das brisante Schreiben tatsächlich am 5. oder 6.Oktober letzten Jahres bei der CDU eingegangen ist.

In dem angeblich von Barschel eine Woche vor seinem Tod verfaßten Brief werden dem Landesvorsitzenden Stoltenberg und dem gesamten Landesvorstand schwere Vorwürfe bezüglich Mitwisserschaft und Mitverantwortung in der gesamten „Barschel-Affäre“ gemacht. Nach dem Motto: „Alles Lüge“, behauptet die CDU nun, der angebliche Brief sei nachweislich nicht bei der CDU eingetroffen. Dies könnten der frühere Generalsekretär des Landesverbandes, Rolf Rüdiger Reichhardt, und seine Mitarbeiter bestätigen. Gegenüber der taz verweigerte Reichardt gestern jede Stellungnahme: „Da Sie sowieso schreiben, was sie wollen, bin ich nicht mehr bereit, Ihnen gegenüber Auskunft zu geben.“ Empört weist die CDU auch die inhaltlichen Behauptungen des „Barschel -Briefes“ zurück. Es sei gezielt „ehrenrührig“, eine Mitwisserschaft Stoltenbergs oder des CDU-Landesverbandes an den Barschel-„Machenschaften“ zu behaupten. Die CDU „weist mit allem Nachdruck diesen erneuten Versuch zurück, die Integrität des Landesvorsitzenden Stoltenberg in Zweifel zu ziehen“. Das von Panorama vorgestellte linguistische Gutachten beweist nach Meinung der CDU gar nichts. Immerhin räumen die Christdemokraten jetzt ein, daß es sich nicht um eine „plumpe Fälschung“ handelt, sondern „in genauer Kenntnis der Person Barschels und unter Benutzung von Formulierungen und Texten Barschels, die öffentlich zugänglich sind“, eine Fälschung erstelltwordenist.Abschließend

geht Geißler noch einmal in die vollen: „Die gestrige Panorama-Sendung ist ein Beispiel für eine neue Form von politischem Kampf-Journalismus, der zur Vermeidung gerichtlicher Schritte unbewiesene und unbe Fortsetzun

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weisbare Behauptungen unter Zuhilfenahme von Fälschungen publiziert und darauf hofft, daß auf diese Weise etwas an Politikern oder Parteien hängen bleibt, wodurch diese in Mißkredit gebracht werden.“

In auffallendem Gegensatz zur vollmundigen Geißler -Erklärung steht die juristische Passivität der CDU. Die CDU Schleswig-Holstein, so teilte Geißler lediglich mit, werde auf einer Richtigstellung bestehen. Stoltenbergs Kieler Sprecher Sanders wollte sich gegenüber der taz zu weitergehenden juristischen Schritten gegen Panorama nicht äußern. „Das“, so Sanders, werde „man nun nicht gerade der taz mitteilen“. Auf Anfragen diverser Agenturen wiederholte der Kieler Oberstaatsanwalt Raab-Straube - in dessen Zuständigkeit die von der CDU im Mai gestellte Strafanzeige gegen den unbekannten Verfasser des Schreibens fällt - es sei noch unklar, ob der Brief „gefälscht oder echt“ ist. Er wolle jedoch nicht ausschließen, daß „der Brief wirklich von Barschel stammt“. Seit Monaten sei die Polizei mit kriminaltechnischen Untersuchungen und Zeugenbefragungen beschäftigt. Die Kieler SPD-Landesregierung fühlt sich von der neuerlichen Barschel-Affäre angeblich überhaupt nicht betroffen. Engholm will erst am Dienstag aus der taz von dem Brief erfahren haben.

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