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Muriels geteilte Welt

■ Die südafrikanische Schriftstellerin Miriam Tlali las im Übersee-Museum aus ihrem Werk / Über die Transplantation eines schwarzen Herzens / Dialog verweigert

Wer eine Lesung besucht, hat ein Recht, vor allem Literatur zu hören. Dies um so mehr, wenn die vorgetragene Literatur schwer erhältlich oder noch gar nicht ins Deutsche übersetzt ist. Über diesen Anspruch sollte man nicht groß streiten müssen.

Die VeranstalterInnen eines neugeschaffenen „Forums afrikanischer Literatur und Kultur“ haben sich über die Präsentation allerdings nicht viel Gedanken gemacht. Eine schleppende Moderation und von ständigen Erklärungen unterbrochene Übersetzung stellte sich zwischen die Autorin und die ZuhörerInnen. Vor Miriam Tlalis zu kurzen Literatur -Häppchen stand eine Menge Grundinformationen über Südafrika, die den meisten BesucherInnen längst vertraut war.

Dabei hat Miriam Tlali aus Johannesburg etwas zu sagen. Sie ist die erste Schwarze, die einen Roman in der Burenrepublik herausgebracht hat. In ihrem Erstlingswerk „Muriel at Metropoli

tan“ (demnächst auf deutsch bei Fischer) beschreibt sie ihre eigenen Erfahrungen als schwarze Angestellte im Joburger Kaufhaus „Metropolitan“. 1969 beendete sie das Manuskript, aber es dauerte sechs Jahre, bis das Buch - um wichtige Kapitel zensiert - in Südafrika gedruckt war.

Miriam Tlali dokumentiert Dialoge ihrer ehemligen Kolleginnen - darunter eine Jüdin und eine Inderin. Ignoranz und Dummheit über die Lebenslage der schwarzen Mehrheit und Worthülsen über das „friedliche Land Südafrika“ kennzeichnen deren politischen Horizont. Groteske Diskussionen über die damals aktuellen Herztransplantationen - ob etwa das Herz eines Farbigen gereinigt werden muß, bevor es einem Weißen eingesetzt werden kann, sagen mehr über Rassismus als lange Aufsätze.

Bei aller Pfiffigkeit trägt Miriam Tlalis alter ego Muriel ihren Protest brav vor. Jeder Gedanke an Gegenwehr fehlt. Hat Soweto

ihr Schreiben verändert? Miriam Tlali meint: Alles, was heute in Südafrika geschieht, sei Reaktion auf jene Schülerrevolten von 1976, als sich die jungen Leute gegen die Bantuerziehung wehrten. Sie selbst hat in ihrem Kurzgeschichtenband „Mihloti“ (1984) die Repression in den Townships literarisch gestaltet: Bedrückende Szenen in einer „Grünen Minna“ nach der Beerdigung von Studentenführer Steve Biko, in der Township-BewohnerInnen, willkürlich zusammengetrieben, zum Polizeirevier verfrachtet werden. Der versöhnliche Gedanke, der junge Polizist könnte ihr eigener Sohn sein, zerbricht rasch bei einer versuchten Vergewaltigung.

Die Erfahrungen mit der Apartheid stellen sich auch zwischen die Schriftstellerin und Europa. Ein Dialog ist nicht möglich. Europa plündere Afrika nach wie vor aus. Beweis: Das Bremer Übersee-Museum sei voller gestohlener Schätze.

Das klingt bitter. Doch dann nimmt sie ihre Einschätzung zurück. Ihr Schriftsteller-Kollege Ngugy wa Thiongo habe sie auf die Idee von den „zwei Europa“ gebracht. Ein einfaches Klassenschema: Das Europa der Gesetzgeber und Bürokraten, und das Europa der Mehrheit.

Von „Feminismus“ mochte Miriam Tlali nichts wissen. Die Lektüre einschlägiger Bücher aus Europa habe sie völlig verwirrt. Schwarze Männer und schwarze Frauen hätten schließlich denselben Feind. „Die Frage ist nicht so wichtig.“

Günter Beyer

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