Neonazis in der Neustadt

■ Stadtteilbeirat diskutierte rechtsextremistische Überfälle / Beiräte verständigen sich auf gemeinsame Arbeitsgruppe / Staatsanwaltschaft auf einem Auge blind?

Die Überfälle von rechtsextremistischen Schlägertrupps auf Ernst B. und einen Schlachter in der Neustadt sowie die Sachbeschädigungen auf der Langemarckstraße waren am Donnerstag Hauptthema einer Sitzung des Ortsbeirates Neustadt. Zusammen mit etwa 50 engagierten ZuhörerInnen wollte der Beirat klären, was sich gegen rechtsextremistisch motivierte Gewaltakte tun läßt. SPD und Grüne hatten je einen Antrag vorgelegt.

Schwere Vorwürfe mußte Staatsanwalt von Bock und Polach einstecken, als er berichtete, die Ermittlungen hätten bisher zu keinem Erfolg geführt. Insbesondere jugendliche Zuhörer äußerten ihren Unmut über die Arbeit der Ermittlungsbehörden. In Zwischenrufen erhoben sie den Vorwurf, daß die Ermittlungsbehörden auf dem rechten Auge blind seien. „Wo setzen sie eigentlich politische Prioritäten?“ „Linke Kreise werden präventiv observiert. Wieso macht ihr das nicht auch bei Neo-Nazis?“ „Wieviele Delikte müssen noch passieren, damit ihr tätig werdet?“

Sogar ein Ei flog in die gereizte und gespannte Stimmung zwischen Autonomen auf der einen Seite und der Staatsmacht, vertreten duch Staatsanwalt von Bock und Polach auf der anderen. Nur knapp verfehlte es ein Beiratsmitglied. Beiratssprecher Werner bemühte sich um Beruhigung der Gemüter: „Es wäre schade, wenn das Thema nicht von allen Seiten beleuchtet würde. Der Beirat hat sich zusammengefunden, um eine Lösung auch für die Jugendlichen in der Neustadt zu finden.“

Der Antrag der Grünen sah die Einrichtung eines dauerhaften Gesprächskreises von Betroffenen, ExpertInnen, zuständigen BehördenvertreterInnen und interessierten MitbürgerInnen vor. Dieses Gremium soll Ursachen und Hintergründe von rechtextremistischen Äußerungen vor allem von Jugendlichen ergründen und entsprechende Aktivitäten entwickeln, um ihnen wirkungsvoll zu begegnen.

Drei Tage vor der Sitzung hatte auch die SPD-Fraktion noch schnell einen Antrag zu Papier gebracht. Er richtete sich gegen jegliche Gewaltanwendung und for

derte die Einsetzung einer Experten-Untersuchungsgruppe, die - ähnlich einem Untersuchungsausschuß - klären soll, ob die Gewalttaten politisch links oder rechts oder möglicherweise überhaupt nicht politisch motiviert gewesen seien. Darüber hinaus sah der Antrag die Unterstützung von Nachbarschaftsinitiativen vor.

Bei den ZuhörerInnen stieß der SPD-Antrag auf scharfen Protest. Sie wehrten sich lautstark dagegen, linke und rechte Aktionen „in einen Topf zu werfen“. Selbst aus Reihen der SPD kam der Vorwurf, daß der Antrag weit hinter einen Bürgerschaftsbeschluß gegen den Rechtsextremismus zurückfalle.

Ergebnis: Nach gut zweistündiger Diskussion über konkrete Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zogen Grüne und SPD ihre Anträge zurück. Nun soll eine Arbeitsgruppe unter Teilnahme aller Parteien einen konsensfähigen Antrag erarbeiten. In der Zwischenzeit sollen sich Stadtteilinitiativen gründen, die sich - offen für alle - mit dem Problem auseinandersetzen.

Claudia Jokisch