Ergebnislose Nachdenklichkeit über Kreuzberg

■ Das Abgeordnetenhaus diskutierte über Kreuzberg nach dem 1.Mai '87 / Sozialsenator Fink konstatierte eine „neue Nachdenklichkeit“ / Die Alternative Liste beklagt die mangelnde Unterstützung für Selbsthilfe-Projekte im Bezirk

Die Alternative Liste benotete Sozialsenator Finks Antwort mit „Thema verfehlt“, Helga Kampfhenkel (SPD) bescheinigte ihm, nicht gemerkt zu haben, worauf es den Kreuzbergern eigentlich ankomme. Bei der mit Interesse erwarteten Debatte im Abgeordnetenhaus am Donnerstag abend über die „Politischen Konsequenzen für den Bezirk Kreuzberg seit dem Mai 1987“ redeten alle aneinander vorbei.

Die Alternative Liste wollte in einer Großen Anfrage wissen, welche Schlüsse der Senat aus den Krawallen am 1. und 2.Mai 1987 gezogen habe und erkundigte sich gleichzeitig nach der Finanzierung zahlreicher Initiativen und Projekte. Die AL gab damit Fink die Gelegenheit, in aller Breite seine Anschauung der sozialen Wirklichkeit Kreuzbergs darzulegen. Und das nutzte er. Fink konstatierte eine „neue Nachdenklichkeit“ seit den Mai-Krawallen und maß der Entwicklung im Stadtteil zukunftsweisende Bedeutung bei. Vor allem in Kreuzberg entscheide sich die Zukunft der Stadt, sagte Fink. Die „schöpferische Spannung“ und der „Ideenreichtum“ der Gewerbetreibenden habe dafür gesorgt, daß Kreuzberg kein sterbender Bezirk sei.

Fink warnte vor der „Aufblähung der Sozialhaushalte“ und der damit verbundenen „Verstaatlichung des Alltagslebens“. Nach einem Ausflug in die Geschichte des Stadtteils zu Hugenotten, französischen Gärtnern und die Zeit der Exerzierplätze rechnete Fink mit der Szene ab: „Zu oft zieht der Autonome gegen Normalos zu Felde, der Prolo gegen die Punks, beide gegen Schickimicki, der Punk gegen den Spießer und mittelständische Genießer sind auch unerwünscht.“ Er warf den Anklägern schlechter Lebensverhältnisse vor, sie seien gegen Verbesserungen, weil man nur Schlechtes anklagen könne.

Die Alternative Liste fand an den Antworten des Sozialsenators keinen Gefallen. Das Allgemeine hatte sie nicht hören wollen und das Konkrete war ihr zu vage. Die meisten der von Fink genannten Projekte seien gar keine Reaktion auf den ersten Mai, sondern gehörten zur normalen Planung, sagte der schulpolitische Sprecher der AL, Kuhn, und nannte als Beispiel die von Fink angeführten Schulprojekte. Vieles, wie zum Beispiel die Frühstücksbetreuung, seien bislang nur Absichtserklärungen. Der AL-Abgeordnete Härtig warf Fink vor, es fehle ihm nach wie vor am politischen Willen, wenn er Projekte wie beispielsweise „Stattbau“ in finanzieller Unsicherheit lasse. „Stattbau“ habe wie viele andere bis heute keine Zusicherung des Senats für die Gelder der Projekte von 1989. Daran hingen zahlreiche Ausbildungs- und Heimplätze für Jugendliche. Resümierend betonte Härtig, der Senat habe mit dieser Antwort zu Kreuzberg seine „Politikunfähigkeit“ bewiesen.

bf