: Der ungleiche Preis der Solidarität?
Nicaragua-Kaffee: Große Unterschiede bei Spendenanteilen und Ladengewinnen / Schritt in Richtung neue Weltwirtschaftsordnung? ■ Von Dita Vogel
Eine Biobäckerei in Köln. Zwischen Vollkornbrot und Honigkuchen steht auch Kaffee aus Nicaragua im Regal. Preis: 13.50 Mark. In Bremer Läden ist der gleiche Kaffee zur Zeit für zwölf Mark zu haben - und im Abonnement der Bärliner Kaffeegenossenschaft kostet das Pfund bei Vorauszahlung im Fünf-Kilo-Pack nur neun Mark.
Der Kauf von Kaffee aus Nicaragua, sagen seine ImporteurInnen, ist eine der wenigen Möglichkeiten, nicht nur über die Dritte Welt zu theoretisieren, sondern konkrete Solidarität zu üben. Doch der Preis der Solidarität ist nicht überall gleich hoch, und vom Kaffeepreis kommt nicht immer der gleiche Anteil in Nicaragua an.
Zwei Organisationen importieren Rohkaffee direkt aus Nicaragua: die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt (Gepa) und die Mittelamerika-Kaffee Im- und Export-Gesellschaft (Mitka). Nach der Ankunft im Hamburger Hafen werden die roten Bohnen in zwei kleinen deutschen Betrieben geröstet, gemahlen und verpackt. Die Gepa tritt dann als Großhändler für kirchliche Gruppen und die Arbeitsgemeinschaft der Dritte-Welt-Läden auf. Bei der Mitka liegt der Vertrieb bei den Mitgliedern, verschiedenen regionalen Solidaritätsgruppen.
Wenn zum Beispiel „Sandino Dröhnung“ im 100-Kilo-Pack an Gruppen und Läden verschickt wird, berechnet die Berliner Vertreibergruppe „Ökotopia“ netto 8,05 Mark für das Pfund. Darin stecken etwa 3,20 Mark für den Rohkaffee, 2,30 Mark für Kaffeesteuer und Zoll, zwei Mark für Transport-, Verarbeitungs- und Verwaltungskosten sowie 50 Pfennig Spende für ein Projekt in Nicaragua. Bei anderen Vertreibergruppen sieht es ähnlich aus: Zwischen acht und zehn Mark liegt der Netto-Preis pro Pfund Kaffee.
Die Abnehmer sind in der Preisgestaltung frei. Die Bremer berechnen nur ihre direkten Kosten und schlagen zusätzlich zwei Mark Spende für die Partnerstadt Corinto auf. Die Berliner KaffeegenossInnen kalkulieren eine zusätzliche Mark für das gemeinsame Spendenprojekt der Direktimporteure. Und die Kölner Bäckerei? Die unterstützt sich selbst. Sie bezieht den Kaffee für 8,60 Mark das Pfund von einer Naturkostgroßhandlung, die wiederum in großen Mengen bei den Berliner Direktimporteuren einkauft und selbst etwa 65 Pfennig aufschlägt. Der Bäckerei bleibt nach Abzug der Mehrwertsteuer immer noch eine satte Spanne von vier Mark pro Pfund.
Gekauft wird der teure Kaffee trotzdem, denn die Kaffeetrinker sind an hohe Solidaritätspreise gewöhnt. Als die Gepa nach der nicaraguanischen Revolution 1980 mit dem Direktimport von Rohkaffee begann, waren die Weltmarktpreise nämlich recht hoch. 1986 fielen sie drastisch, auch für die Solidaritätsimporte. Doch nicht alle Abnehmer gaben die Preissenkung der Importeure weiter oder nutzten sie für höhere Spenden.
Wer glaubt, durch den alternativen Kaffeekauf den Landarbeitern in Nicaragua zu höheren Löhnen zu verhelfen, irrt. Denn Gepa und Mitka kaufen ebenso wie die großen Konzerne zum Weltmarktpreis bei der staatlichen nicaraguanischen Kaffeegesellschaft Encafe. Encafe wiederum sichert den Kaffeeproduzenten im Voraus für die nächste Ernte feste Preise zu. Das ist immerhin eine Sicherheit, von der die Kaffeeproduzenten in anderen Ländern nur träumen können.
Zwar versuchen die Solidaritätsimporteure nicht, den Preis mit Rabattforderungen, Terminspekulationen und Sonderkonditionen zu drücken, doch übermäßig beliebte Kunden sind sie für die Encafe-Funktionäre trotzdem nicht. Zum einen gehören sie mit 10.000 Sack jährlich bei einem Gesamtexport von gut 600.000 Sack zu den Kleinabnehmern. Und der hochwertige Arabica-Kaffee aus den nicaraguanischen Nordprovinzen, der in herkömmlichen Kaffees nur als Beimischung zu billigeren Sorten verwendet wird, findet immer Abnehmer. So konnte es sich Encafe den Versuch leisten, 1987 das gesamte zugesagte Angebot für die deutschen Kleinaufkäufer zurückzuziehen.
Dennoch bringt der Direktimport mehr Geld nach Nicaragua, zu den Bewohnern mehrerer Dörfer in der Anbauregion Matagalpa/Jinotega, und nicht zu Encafe. Beim Kauf des Rohkaffees überweisen die Importeure einen Aufschlag von zehn bis 16 Prozent, der auf ein Sonderkonto für das Projekt „La Paz de Tuma“ fließt. Das Geld geht zur Hälfte in den Aufbau einer modernen Kaffeeverarbeitungsanlage, die eine höhere Ausbeute beim Schälen der Kaffeekirschen und eine geringere Verschmutzung der Gewässer ermöglicht. Von der anderen Hälfte sollen Schulen, Gemeinschaftsküchen, Latrinen und Wohnungen gebaut werden. Direkten Nutzen aus dem alternativen Kaffeekonsum in der Bundesrepublik ziehen auch die Orte, denen die Zusatzspenden zufließen, wie etwa die Bremer Partnerstadt Corinto. Ein Schritt in Richtung neue Weltwirtschaftsordnung mit gerechteren Preisen ist der Solidaritätsimport nicht. Rainer Klee von der Mitka: „Wenn die Kaffeepflücker Löhne wie hier bekommen sollten, müßte das Pfund 50 Mark kosten.“ Wer Nicaragua-Kaffee kauft, hat eher eine besondere Form der Spende für ein besonderes Land geleistet.
Die Mitka-Importeure wollen nicht nur verkaufen und spenden, sondern auch informieren. Den Kaffeekäufern soll bewußt werden, daß auch hier grundsätzliche Veränderungen nötig sind, damit die Länder der Dritten Welt dem Kreislauf von Elend, Unterentwicklung und Verschuldung entkommen können. Deshalb erarbeiten sie Informationsbroschüren und legen sie den Kaffeepaketen für die Verkaufsstellen bei.
Nicht zuletzt ist der Direktimport auch ein Versuch, den Profit der Zwischenhändler und Konzerne auszuschalten. In Bremen gelingt das bis zum letzten Glied der Handelskette: Die Endverbraucher zahlen tatsächlich nur Kosten und Spenden. Im Fall Köln wird zwar auch der Reibach der Konzerne vermieden, doch der Alternativhandel verdient nicht schlecht mit, wenn Nicaragua-Freunde praktische Solidarität durch Kaffeekauf üben wollen.
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