In der Sackgasse

■ Jugoslawien nach der ZK-Sitzung

Der demagogische serbische Parteichef Milocevic soll auf der jugoslawischen ZK-Sitzung einen Dämpfer bekommen haben. Der Beweis: Die Aufhebung der Autonomie des Kosovo und der Wojwodina sind nicht beschlossen worden und einer seiner Paladine, der Hetzer Ckrebic, sei abgewählt. Eine weniger optimistische Sichtweise sieht ihre hochgespannten Erwartungen auf eine Selbstreinigung enttäuscht, was angesichts der dramatischen wirtschaftlichen und politischen Situation naheliegt. Die Wirklichkeit ist schlimmer.

Das jugoslawische ZK war immer schon etwas energischer und ausgleichender als das Parteipräsidium und das Staatspräsidium. Aber das ZK tagt nur sporadisch, und wenn in ihm nicht entschieden wird, dann anderswo erst recht nicht. Über die wirtschaftlichen Probleme wurde nur zu Beginn der Tagung und zudem folgenlos debattiert; zum Schluß gab es nur noch „Kosovo“. Das unübersehbar Anwesende serbisch dominierte Militär verwies auf seine gesamtstaatliche Verantwortung und auf angebliche Feinde von außen, die einen „sozialen Krieg“ gegen Jugoslawien führten. Angesichts einer Inflation von 217 Prozent und einer Arbeitslosigkeit von 15 Prozent (in Makedonien und Kosovo 40 Prozent) und einer Verschuldung von 21 Milliarden Dollar war dieser Tagungsverlauf gespenstisch.

Zweifellos hat die Art des jugoslawischen Föderalismus zu dieser Lage beigetragen. Sie sollte gerade nationalistischen Konflikten die Spitze nehmen und die Dominanz Serbiens verhindern. Sie hatte aber die Nebenfolge, daß die Einzelrepubliken „autonom“ Schulden machen konnten, der Gesamtstaat aber für die Zeche zuständig war. Slowenien drängt daher auf größere Autonomie, um seine Wirtschaft zu retten. Natürlich sind die anderen Republiken dagegen; sie wollen die Milchkuh nicht verlieren. Angesichts der Mißwirtschaft, Ineffizienz und Korruption, die in diesen Strukturen begünstigt wurde, ist auch verständlich, daß die slowenische Forderung nach einer „Demokratie ohne Adjektive“ in den anderen Republiken auf wenig Sympathien stößt. Entsprechend uneinheitlich sind die Motive für den Widerstand gegen eine Zentralisierung. Slowenien und z.T. Kroation fürchten die Zentralisierung der Mißwirtschaft, die anderen einen Verlust von Pfründen.

Genau diese Lage kann der Saubermann Milocevic für seine großserbische Agitation ausnutzen. Wie immer im Zeichen wirtschaftlichen Elends, lassen sich die Massen mit nationalistischen Phantasmagorien mobilisieren. Fast alle aber, die Milocevic bekämpfen möchten, sind diskreditiert. Keiner von ihnen könnte irgendwelche Massen mobilsieren. Die Gegner der serbischen Hegemonie stehen mit dem Rücken zur Wand. Milocevic, dessen Bild durch die Straßen getragen wird, könnte auch dann nicht mehr zurück, wenn er wollte. Eine Massenbewegung läßt sich nicht einfach abschalten. In solcher Situation müssen auch jene Serben, die vom nationalistischen Taumel nicht erfaßt sind, Angst haben. Die Stimme der Vernunft kann nicht brüllen.

Erhard Stölting