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„Das ist was für Leute, die Zeit haben“

■ Eindrücke vom Internationalen Go-Turnier, das am Wochenende in Berlin seine 13. Auflage fand / Traditionen sind in Vergessenheit geraten

Nennt sich „Go“, das Spiel, und sieht auf den ersten Blick so aus, als hätte jemand eine Tüte mit Pfefferminzplätzchen auf dem Spielbrett ausgeschüttet. Doch wer die Partie von Anfang an miterlebt, kann beobachten, daß hier jeder Stein ganz bewußt und wohlüberlegt gesetzt wird. Nachdenken ist bei diesem Spiel unbedingt erforderlich, denn die ersten drei Züge erlauben schon 40 Millionen Kombinationsmöglichkeiten. Ein bekannter Spruch in Go -Kreisen lautet deshalb auch: „Wenn Schach das Spiel der Könige ist, so ist Go das der Kaiser.“

In Japan sitzt man bei diesem Spiel auf dem Fußboden. Doch das Internationale Go-Turnier des Berliner Landesverbandes, das an diesem Wochenende zum 13.Mal veranstaltet wurde, findet an langen Tischen statt. Zu Beginn einer Runde ist es sehr still im Saal. Ich höre es fast knistern in den Köpfen der Turnier-Teilnehmer, denn das fernöstliche Spiel erfordert viel Konzentration. Wenn die Partien nach zwei bis drei Stunden zu Ende sind, ist es mit der Ruhe allerdings vorbei. Da werden voller Begeisterung schon wieder neue Spiele begonnen, Erfahrungen ausgetauscht und ungeübtere Teilnehmer versuchen, von den Fortgeschrittenen, die ihre Runde noch nicht beendet haben, raffinierte Züge abzuschauen.

64 leidenschaftliche Go-SpielerInnen sind zu dem Turnier nach Berlin gereist. Die meisten kommen aus der Bundesrepublik, einige aber auch aus dem Ausland. Wie bei solchen Turnieren üblich, sind die Gäste in Privatquartieren untergebracht. In Berlin hat Go schon eine relativ lange Tradition. Als das 4.000 Jahre alte, chinesische Spiel um die Jahrhundertwende nach Europa kam, wurde hier einer der ersten europäischen Go-Clubs gegründet. Von Berlin ausgehend ist das Brettspiel überall in Europa populär geworden.

In den Berliner Clubs ist man mit dem Go-Leben in dieser Stadt allerdings nicht zufrieden. So hoffen die Spieler, daß noch viel mehr Leute auf die Idee kommen, mit ihnen zusammen Woche für Woche das asiatische Denkspiel zu trainieren. Zum Beispiel Sonntag abends im Schöneberger Cafe Lure, einem der Go-Treffpunkte. Was denn so faszinierend sei an diesem Spiel, möchte ich von einigen Go-Begeisterten wissen. Go sei eine Aufgabe, erfahre ich, eine schwierige Lektüre, eine geistige Anstrengung. Es sei ein kreatives Spiel, bei dem jede Partei originell gestaltet werden könne, weil immer mehr Steine auf das Brett gelegt werden. Viel hänge vom Charakter der Spieler ab. Denn bei der Auswahl aus der ganzen Fülle der vernünftigen Züge komme es auf die Besonderheiten der Persönlichkeit an. Deshalb kann man in diesem Spiel auch viel über sich selbst sowie auch über seinen Gegner erfahren.

In China wurde Go anfangs nur der Schönheit wegen gespielt, als Charakterbildung und ohne Sieger. Heute allerdings kommt es den Teilnehmern von Go-Turnieren schon darauf an zu gewinnen. Die philosophischen Hintergründe des Spiels, die es im alten China offensichtlich gab, geraten bei einer Partie im Eifer des Gefechts allerdings meistens in Vergessenheit. Und wer spielt Go? „Das ist was für Leute, die Zeit haben“, erzählt mir einer der Teilnehmer. „Häufig flippige Typen, die dem Ernst des Lebens ausweichen wollen.“

Alexandra Holtz

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