: Sozial-Staatsschutz
■ Ilse Schwipper wurde wegen angeblichen Sozialhilfebetrugs in Höhe von DM 1.000 angeklagt - von der politischen Staatsanwaltschaft
Als besondere Aufmerksamkeit zu ihrem 51. Geburtstag im Juni vergangenen Jahres schickte der Staatsschutz der Angeklagten im Schmücker-Prozeß, Ilse Schwipper, per Einschreiben eine Vorladung. Diesmal ging es nicht direkt um ein weiteres Scharmützel im Nervenkrieg der Staatsanwaltschaft gegen die Angeklagte, deren Haftverschonung aus gesundheitlichen Gründen die Ankläger seit langem mit allen Mitteln kippen wollen, bislang erfolglos. Deshalb versucht man es jetzt auf Umwegen.
Der Staatsschutz in Berlin und in Bremen sowie die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft hatten sich vielmehr eines Auftritts von Ilse Schwipper in einer Talkshow von Radio Bremen am 30. Oktober vergangenen Jahres erinnert und ermittelt, daß die Sozialhilfeempfängerin es unterlassen hatte, das dafür an sie gezahlte Entgelt von DM 1.000 bei ihrem Sozialamt anzugeben. Die Anklageschrift spricht von Betrug, die Beschuldigte hätte das Geld als Einkommen angeben müssen. Dabei hatten es die Ermittler von Radio Bremen laut Schwipper Anwalt Reme schriftlich, daß es sich um eine Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten und Unterbringung für die gesundheitlich angeschlagene Ilse Schwipper und eine Begleitperson für drei Tage handelte. Das Geld sei dafür auch draufgegangen, von einem „Einkommen“ und gar einer „Verbesserung der Lebensverhältnisse“ zu reden, sei völliger Unsinn, meint Ilse Schwipper. Von ihrem Sozialamt, so erfuhr sie dort, sei das Verfahren nicht ausgegangen.
Die Amts-Hilfe der Politstaatsanwälte dürfte auch kaum dem Schutz des Sozialhilfeetats vor mißbräuchlicher Nutzung gegolten haben, sondern der Fortsetzung des Schmücker -Verfahrens mit anderen Mitteln. Eines wird immerhin deutlich: Der offensichtliche Personalüberhang in der P -Abteilung der Staatsanwaltschaft bei gleichzeitiger Unterbesetzung der Sozialämter. Was spricht eigentlich gegen eine Versetzung? Über intime Kenntnis des Bundessozialhilfegesetzes scheinen die Herren aus Moabit ja zu verfügen.
Thomas Rogalla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen