piwik no script img

Summen eingeprägt,

Um dubiose Finanzgebaren, mysteriöse Kontakte zu Bobby Fischer und Fluchtpläne des ehemaligen Schach-Weltmeisters Karpov ging es bei dessen Vernehmung im Prozeß um den Verbleib von 450.000 Dollar  ■  Von Holger Schacht

Berlin (taz) - Abenteuerliche Geschichten über den Verbleib von 450.000 Dollar durfte sich das Landgericht Hamburg in einem Strafprozeß anhören. Elf Stunden sagte der ehemalige Schach-Weltmeister Karpov vor dem extra wegen seiner Terminschwierigkeiten für einen Tag nach Berlin geeilten Gericht aus. Die Hamburger Richter sollen klären, ob der mit einer Kontovollmacht ausgestattete ehemalige Karpov-Freund und Fernsehjournalist Helmut Jungwirth das aus der Werbung für einen Schachcomputer stammende Geld unterschlagen hat.

Jungwirths Version über den Verbleib der Promotion-Dollar klingt simpel. Als Vertrauter des Ex-Champions habe er das Geld teilweise cash, in bar also, überbracht, teils für Auftragsdienste verbraucht. Nur: Karpovs Belege gibt es nicht.

1978, so Jungwirth, habe er Karpovs Flucht in die USA vorbereitet. Für den Fall einer Niederlage im WM-Kampf mit Viktor Kortschnoi habe Karpov den Frontenwechsel gewünscht. Zu diesem Zweck mietete Jungwirth in Lexington im US-Staat Kentucky eine Wohnung an, möblierte sie und stellte ein Auto im Wert von 14.000 Dollar in die Garage des Hauses. Und: Ein nicht datiertes Ticket, ausgestellt auf falschen Namen, habe auf dem Flughafen von Manila bereitgelegen. Die Verteidigung der Schach-Krone ließ Karpov jedoch nach Moskau zurückkehren.

„Märchen“, tat Karpov dies energisch ab: „Nie habe ich an Flucht gedacht, geschweige denn etwas davon gesagt.“ Auch in anderen Punkten unterscheiden sich die Darstellungen des CDU -Mitglieds Jungwirth und des Vorzeige-Kommunisten Karpov erheblich. So will Jungwirth im Auftrage Karpovs bei der Suche nach dem legendären Bobby Fischer fündig geworden sein und über einen möglichen Kampf zwischen den beiden Schachgenies verhandelt haben. Vergeblich; was blieb, waren Kosten. 28.000 Dollar, für Reisen, zwei Treffen mit Fischer und Honorar - diese Summe stellt Jungwirth in Rechnung.

Karpov gab bei seiner Zeugenaussage zwar zu, daß er mit Fischer „bis Ende 1977“ regelmäßigen Kontakt gehabt habe, ihn sogar „in Japan, Spanien und den USA“ getroffen habe, aber diese Begegnungen seien nicht auf Vermittlung Jungwirths zustandegekommen. Karpov trocken: „Da verwechselt der Angeklagte wohl Dichtung und Wahrheit.“

Schuld am Zerbrechen der „großen Männerfreundschaft“ (Jungwirth über seine Beziehung zu Karpov) war ein gefühllos kalkulierender Schachcomputer aus Hongkong. Für das Produkt der Firma Novag warb Karpov und sollte 2,50 Dollar pro verkauftes Gerät erhalten, hatte Jungwirth ausgehandelt. Weil er lediglich mit 25.000 Dollar rechnete, soviel wie für einen Turnierantritt, habe er der Sache „keine große Bedeutung beigemessen“, erklärte Karpov. Jungwirth habe auch die Einrichtung der US-Konten vorgeschlagen: das sei aus steuerlichen Gründen besser so.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen