Presseanhörung als Farce

■ Chefredakteure und Journalistenverbände boykottieren Anhörung zur IWF-Tagung im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses

Zu einer Farce geriet gestern im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses eine vorgesehene Anhörung von Journalisten, die über Arbeitsbehinderungen während der IWF -Tagung berichten sollten. Die Einladung, so monierte der Vorsitzende der Deutschen Journalisten-Union (dju) Ulrich Zawatka, sei so mißverständlich formuliert worden, daß niemand mehr so recht wußte, wer sich nun eigentlich wozu äußern sollte. „Sachdienliche Hinweise“ wurden zum einen verlangt, zum anderen bestand die CDU darauf, daß man nicht jeden einzelnen Betroffenen hören könne. Chefredakteure und Journalistenverbände waren daraufhin erst gar nicht erschienen, weil sie nicht wußten, ob sie überhaupt aussagen dürften.

Ein SFB-Journalist trug den Fall eines 'Tagesspiegel' -Fotografen vor, den die Polizei mit dem Schlagstock so geschlagen hatte, daß ihm Brillensplitter ins Auge gerieten. Der verletzte Journalist hatte Strafanzeige erstattet. Ein Kameramann vom ZDF schilderte Behinderungen seines und anderer Teams, die filmen wollten, wie Demonstranten geschlagen wurden. Am eindringlichsten berichtete ein freier Wirtschaftsjournalist, dem ein Schlagstock in die Magengrube gerammt wurde, nachdem er seinen Presseausweis gezeigt und mehrfach erfolglos Dienstnummern verlangt hatte.

Auch ein „Kronzeuge der Polizei“ (so der AL-Abgeordnete Wieland) trat auf: Ein Journalist des Schamoni-Senders „Radio 100,6“ will gesehen haben, daß Fotografen nicht etwa von Polizisten, sondern von Demonstranten bedroht worden seien. Auch sei er von Kollegen geschubst worden. Seine Sicht der Dinge, vermutete Wolfgang Wieland, sei wohl von der Tatsache getrübt gewesen, daß die Ehefrau des Innensenators Mitglied im Aufsichtsrat seines Radios ist. Die Fragen von CDU und FDP beschränkten sich darauf, was denn die „gewalttätigen Demonstranten“ jeweils getrieben hätten.

Anhand zahlreicher Videofilme wurde den Abgeordneten vor Augen geführt, wie Polizisten immer wieder ihre behandschuhten Hände vor die Kamera hielten, sich weigerten, die Dienstnummern herauszurücken, und Journalisten abdrängten. Ein Polizeifilm, der das Gegenteil beweisen sollte, erwies sich wenig aussagekräftig.

RiHe