Paragliding, Sport für Aufsteiger

Nach Ski und Surf werden die Lüfte erobert / Wie bei jedem Off-road-Sport bringt das ökologische Probleme  ■  Von Torsten Haselbauer

Paragliding ist ein Begriff, der in der Skala der In-Worte eine stark aufsteigende Tendenz zu verbuchen hat. Eher von schlichtem Klang das deutsche Synonym: Gleitschirmfliegen. Die Mischung aus Fallschirmspringen und Drachenfliegen reizt vor allem den agilen ski- und surferfahrenen Freizeitathleten.

Als der Klientel geradezu auf den Leib geschnitten erscheinen da die emphatisch formulierte Offerten von Sportfachgeschäften, die etwas auf sich halten. Nach dem Motto: „Nur Fliegen ist schöner!“ werden sogenannte Schnupperkurse feilgeboten. Zumeist im lockeren Plauderton, („ich bin der Günther und bei Paragliding duzen wir uns alle“) betonen die Kursleiter immer wieder die Wichtigkeit des sicheren Umgangs mit dem Gerät. Paragliding, und darauf verweist ein Merkblatt der bundesdeutschen Gleitschirmschulen, kann „bei Mißachtung der Grundregeln lebensgefährlich sein.“

Doch beruhigend fügen die Fluglehrer rasch hinzu, daß die im Kurs verwendeten Schirme alle sicherheitsgeprüft und flugtechnisch o.k. sind. Daß es aber bisweilen vorkommt, daß ein Flugeleve „die Tanne küßt“, wie der Zusammenprall von Flieger und Gehölz im Paragliderlatein bagatellisiert wird, sei nicht weiter tragisch. Denn: der Gleitschirmflieger ist kein Softie, „das sind Leute, die sich und ihrem Körper etwas abverlangen“, beschreiben erfahrere Piloten ihre Schüler.

Aber nicht nur der Körper, sondern auch die Geldbörse wird arg strapaziert. Die Preise für einen vier bis fünf Kilo schweren Schirm schwanken zwischen 1.800 und 5.000 Mark, und ebenso wie bei Surf und Ski offeriert die Sportartikelindustrie ein meist grellfarbiges Outfit: Vom pinkfarbenen Schutzhelm bis zum atmungsaktiven Overall, vom schrill piepsenden Höhenmesser bis zum regenbogenbunten Springerstiefel. Die farbenfrohen Accesoires haben dann auch meist ihren Platz auf dem zur Warenpräsentation umfunktionierten Wohnzimmertisch gefunden.

Die von Hüttenromantik geschwängerten Informationsveranstaltungen geraten in zunehmenden Maße, einer Butterfahrt nicht unähnlich, zur „salopp verpackten Verkaufsmaschinerie“, wie einer der Kursteilnehmer enttäuscht bemerkt. Daß die Verquickung von legitimen Verkaufsinteressen und simulierter Vereinsgeselligkeit zum Erfog führt, beweisen die Praxistage. Vor Flugbeginn gehen mindestens fünf paar Stiefel, das Paar für „zweineunundzwanzig“, wie die verkaufspsychologisch geschulten Fachkräfte anpreisen, über den Ladentisch.

Was aber treibt die Teilnehmer ins luftige Abenteuer? Letzte Saison habe er gesurft, dieses Jahr sei Paragliding angesagt, gibt der Jurist unumwunden zu. Exotischer hingegen erscheint die Motivation des Psychotherapeuten: „Ich möchte Paragliding auf seine Therapietauglichkeit testen. Vornehmlich für Leute, die unter Angstzuständen leiden.“

Für andere hingegen ist der erwartete Nervenkitzel Anlaß genug, sich das Paraglidergeschirr anzulegen, und im strammen Spurt talwärts zu hetzen. Daß sich Start- und Sturzübungen ausnehmen wie die ersten Flugversuche Otto Lilienthals, kann den Optimismus kaum dämpfen. Die Vorstellung, von schneebedeckten Gipfeln abzuheben, läßt unangenehme Blessuren schnell vergessen. Und so gelten denn Paraglidern auch die Alpen und das Zillertal als bevorzugtes Startterrain.

Mittlerweile konzentrieren sich gerade hier die Aktivitäten der Freizeitsportler in einem nicht mehr tolerierbaren Ausmaß, gibt Dipl. Ing. Gerhard Gabel vom Landesverband für Umweltschutz Südbayern zu bedenken. „Trittschäden, hervorgerufen durch das Loslaufen beim Start, ziehen die empfindliche Bergpflanzengesellschaft in Mitleidenschaft. „Doch“, so Gabel weiter, „die größte Gefährdung geht von der Flugsilouette des Gleitschirmfliegers aus: Eine große Zahl von Tierarten wird dadurch in Panik versetzt, zu heftigen Fluchtreaktionen veranlaßt und verläßt während der Brut- und Aufzuchtzeit Nester und Jungen.

Probleme wie diese verursachen jedoch nicht ausschließlich Paraglider. Allradgeländewagen, Mountain-Bikes, Drachenflieger usw., also sogenannte Off-Road-Sportarten, die vornehmlich im sensiblen, alpinen Vegetationsbereich an Attraktivität gewinnen, entwickeln als Massenbewegungen eine kaum kontrollierbare Eigendynamik.

So entsteht im Zuge der Entwicklung zur Freizeitgesellschaft ein Verbrauchertypus, der ständig den Wind der neuzeitlichen Modesportarten nach weiteren Betätigungsfeldern abschnuppert. Und solange eine überaus flexible Sportindustrie ihre Interessen wahrnimmt, werden die Rufe der „Warner und Mahner“ ungehört bleiben.

Schließlich eignet sich die letzte Landung auf einem mit Mist bestreuten Feld allemal, anekdotisch aufbereitet, im Kreise alltagsgelangweilter Möchtegern-Abenteurer an Profil zu gewinnen.