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Q U E R S P A L T E Rettet die Wale!

■ Russen und Amis Schulter an Schulter

Drei von Eismassen eingeschlossene Grauwale sind die Stars dieses Herbstes. Bush hin, Dukakis her, die Wale sind wichtiger. Abend für Abend prusten die drei Tiere ihre Wasserfontänen in die TV-Kameras. Ihr Schicksal hält die die Welt in Atem.

Kein Mensch kann voraussehen, an welchem Objekt Helfer -Instinkt, ökologisches Gewissen und Tierliebe durchbrechen. Mal ist es eine Ente, die den Stadtverkehr in Tokio zusammenbrechen läßt, mal läßt die Robbe Roberta eine Nation zum Taschentuch greifen. Jetzt schlagen die Herzen für die Wale, deren Abschlachtung zuvor unbeachtet auf dem Nachrichten-Müllhaufen gelandet war. Doch plötzlich ist alles möglich: Militärhubschrauber, Spezialschiffe, Satelliten-Einsatz. Die US-Militärs spendieren zig Millionen und ihr größtes Militärflugzeug, die Russen schicken einen Eisbrecher. Die größte Rettungsaktion aller Zeiten für zwei Tiere (der dritte Wal ist gestern - schluchz! - zu Neptun gefahren) samt Krisenstab und einer furchterregenden Armada von Meeresbiologen.

Wer wagt es, bei soviel Anteilnahme an die Restvernunft zu appellieren und nach zwei Schuß Munition zu rufen? Tötet die Wale? Das wäre zu einfach. So viel Gefühl muß man geschehen lassen, damit man eine Vorstellung davon gewinnt, was auf diesem Globus an Solidarität und Hilfsbereitschaft alles möglich wäre. Man muß es geschehen lassen, auch wenn die vielleicht glückliche Befreiung der Tiere am Ende doch wieder in den Harpunen von japanischen Walfängern enden, die Herrn und Frau Grauwal schließlich zu Petroleum und Katzenfutter verarbeiten.

Manfred Kriener

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