: CS-Gas vor WAA endgültig „rechtens“
Bundesverwaltungsgericht hält CS-Gaseinsatz in Wackersdorf Ostern 1986 für verhältnismäßig / Trotz internationaler Ächtung im innerstaatlichen Bereich erlaubt / „Bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen“ ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Der Einsatz des nach der Genfer Konvention international geächteten Kampfgases CS stellt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Berlin im innerstaatlichen Bereich der Bundesrepublik keinen Rechtsbruch dar. In ihrem letzte Woche gefällten Urteil gehen die Berliner Richter davon aus, daß der polizeiliche Reizgas-Einsatz bei der Großdemonstration gegen die WAA am Ostermontag 1986 rechtmäßig und verhältnismäßig war.
Damals, am 31.März 1986, war in der Bundesrepublik CS-Gas zum ersten Mal gegen DemonstrantInnen zum Einsatz gekommen. Etwa 100.000 WAA-GegnerInnen waren zum etwa 500 Meter vom Bauzaun entfernten Kundgebungsplatz gezogen. 3.000 Polizisten und 41 Wasserwerfer nebelten die Demonstranten regelrecht mit CS- und CN-Gas ein. Ein 38jähriger asthmakranker Münchener Ingenieur starb nach einem Erstickungsanfall, mehrere tausend WAA-GegnerInnen wurden durch den Gaseinsatz verletzt. Zwei von ihnen, ein 31jähriger Agraringenieur und eine 44jährige technische Assistentin, die beide noch heute an einer Allergie aufgrund des Gaseinsatzes leiden, standen den Instanzenweg bis zum BVerwG durch.
Zuvor hatte das Regensburger Verwaltungsgericht nach achttägiger Verhandlung die Rechtmäßigkeit des Reizgaseinsatzes abgestritten. Der 21.Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hob nach drei Stunden Verhandlung dieses Urteil jedoch wieder auf. Der Senat schloß zwar nicht aus, daß die gesundheitlichen Kurz- und Langzeitfolgen des kombinierten Einsatzes beider Stoffe durch Wechselwirkungen von CN und CS und durch den Einsatz in Wasserwerfern und Wurfkörper verstärkt werden, doch die gesundheitlichen Schäden der Kläger führten „nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit des letztlich auf die Abwehr eines bürgerkriegsähnlichen Gesamtgeschehens gerichteten Mittels“.
Mit dem BVerwG-Spruch ist der Rechtsweg gegen den CS -Gaseinsatz vorerst erschöpft. Beide Gerichte, so Klägervertreter Schindler, hätten sich vor der Klärung der Frage gedrückt, mit welchen Waffen die Polizei gegen Staatsbürger vorgehen dürfe.
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