piwik no script img

Auf der Informanten-Fährte

■ Delmenhorster Stadtväter fahnden immer noch nach undichter Stelle / Wer machte Daten-Skandal öffentlich? / Gestern wollte die Kripo den taz-Reporter fragen

„Ihretwegen bin ich heute von der Kripo vernommen worden“, sagte ich mit leicht anklagendem Ton gestern nachmittag zu dem Delmenhorster Stadtdirektor Bernhard Bramlage. Etwas ins Blaue hinein war dieser Vorwurf. Aber die Adresse stimmte: „Ich habe nur eine Strafanzeige erstattet“, verteidigte sich Bramlage. Mehr mochte er dazu nicht sagen: „Das ist ein schwebendes Verfahren“.

Es schwebt nun schon seit über einem Jahr. Gestern morgen bei der Kripo sollte ich es wohl aus den Wolken auf den Boden der Tatsachen holen. Diese Hoffnung schimmert jedenfalls aus den umfangreichen Anlagen zu der Strafanzeige hervor, die Bramlages Mitarbeiter, der Assesor Reske, verfaßt hatte. Die Ermittlungen innerhalb der Delmenhorster Stadtverwaltung seien am toten

Punkt gelandet, hatte Reske sinngemäß geschrieben. Es lasse sich nicht mehr feststellen, wer die Personaldaten der Bewerber für das Amt des Oberstadtdirektors am Reißwolf vorbei dirigiert hatte, sodaß sie, wie anderes Altpapier, geschnitten und gebunden als Notizblocks in den Amtsstuben wieder auftauchten.

Da dort die Ermittlungen nicht vorankommen, so Reske sinngemäß weiter, solle zumindest verfolgt werden, wer die taz informiert und gleich noch ein Exemplar dieser Blocks mitgeliefert hatte. Das, so heißt es weiter in der Strafanzeige wegen „Weitergabe von Daten“ solle man mich doch mal fragen, denjenigen also, der den entsprechenden Bericht in

der taz vom 25. September 1987 geschrieben habe.

Lebenslauf und Prüfungszeugnisse von mehreren Stadträten und auch vom jetzigen Oberstadtdirektor Willi Schramm waren damals auf dem Weg über das Schmierpapier offenbar geworden. Alle Stadträte, die den Oberstadtdirektor zu wählen hatten, waren mit den Personalbögen der Kandidaten versorgt worden. Daraus wurde eine Menge Schmierpapier. Auch Ronald K. Famulla, heute Chefredakteur des „Weserreport“, hatte Oberstadtdirektor werden wollen, und fand jetzt sein eher mäßiges Jura-Examenszeugnis veröffentlicht. Grund genug für ihn, von der Stadt ein ideelles Schmerzensgeld

zu fordern. Delmenhorst ließ sich nicht lumpen und zahlte ihm 1.000 Mark, die Famulla einem Kindergarten der Stadt spendete.

Da saß ich nun gestern früh um halbneun bei dem netten Herrn Bolze von der Bremer Kripo und sollte meinen Informanten preisgeben. Herr Bolze war nicht von sich aus tätig geworden, sondern in Amtshilfe für die Delmenhorster Kripo und die Staatsanwaltschaft in Oldenburg, die schon seit über einem Jahr tief gebeugt über der Spur des geheimnisvollen Informanten hängen. Daß ich nicht aussagen muß, sogar darüber belehrte mich der Herr Bolze: Journalisten müssen ihre Informanten nicht preiszugeben. Ein Glück!

Michael Weisfeld

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen