Countdown für Kewenig

Zum Mißtrauensantrag gegen Innensenator Kewenig / Alle mißtrauen dem Verfassungssenator  ■ K O M M E N T A R

Drei Monate vor der Wahl ist Innensenator Kewenig schon längst von allen Seiten das Mißtrauen ausgesprochen worden. Daß ihm heute trotzdem nicht offiziell das Vertrauen entzogen werden wird, ist nur eine Formalie.

Bei seiner politischen Karriere stand sich Wilhelm A.Kewenig selbst immer am meisten im Wege. Gleich nach seinem Amtsantritt begann er, sich energisch für das Recht von kaffeetrinkenden Kudammbummlern einzusetzen, das Vorrang vor dem Demonstrationsrecht haben müsse. Seine Auskunftsverweigerung zum Thema Verfassungsschutz füllen inzwischen lange Listen. Immer noch kann man einem Berliner Verfassungssenator mangels Bestätigung oder Demento ungestraft nachsagen, er habe die Schmücker-Waffe im Tresor versteckt. Der Verfassungssenator sorgte dafür, daß die drittstärkste im Parlament vertretene Partei bei der Parlamentarischen Kontrollkommission außen vor bleiben mußte. Es bedurfte eines Kewenigs, damit Einkesselungen von Demonstranten Usus wurden und ein ganzer Bezirk von Anti -Berlinern entstand, den man folgerichtig auch schon mal absperren kann. Was dann in Kreuzbergs Straßen erprobt wurde, bewährte sich auch in Bayern als zweifelhafter Exportschlager. Seine Äußerungen zur Pressefreiheit sind nur eine konsequente Fortsetzung seiner Auffassung, Journalisten könnten auch gut mal für den Verfassungsschutz arbeiten. Seine letzte Meisterleistung bestand darin, sich vor die Sondertruppe EbLT zu stellen, die alles das tut, was andere gesetzesmäßig nicht dürfen.

Großspurig wie sein Vorgänger, aber ohne dessen Leutseligkeit zog Wilhelm A.Kewenig sich aber nicht nur harsche Kritik von seiten der Opposition zu. Trotz seines bemüht-forsch-populistischen Auftretens konnte er auch mit dem Polizeiapparat nie richtig warmwerden. Bei Polizeiveranstaltungen oder -festivitäten merkte man dem überheblichen Professor stets an, daß dies nicht sein Parkett war. Dem rechten Flügel seiner Partei war der Mann eh nie ganz geheuer. Kewenig, von Diepgen einst als liberales Aushängeschild seines Senats gedacht, betrieb die verbale Kraftmeierei auf so ganz andere Art und Weise als die rechten Christen. Und die FDP ist allemal bereit, jemanden fallen zu lassen, wenn sie kurz vor den Wahlen ihr Fähnchen nach dem öffentlichen Wind hängen will. Natürlich wird sie gegen den Mißtrauensantrag stimmen. Sie kann dies aber ihrer Wählerschaft nach Kewenigs Entschuldigung ganz plausibel verkaufen. Der Innensenator selbst hat bereits angedeutet, wie er sich wegloben läßt: Ein „Super-Job“ außerhalb Berlins müsse es sein. Angebote bitte an die Senatskanzlei.

Rita Hermanns