: Mehl aus der Stadt
■ Eine Windmüllerin ist neue Chefin der Stechhanschen Mühle in Britz
„Das Wandern ist des Müllers Lust...“ Muß wohl, denn bis nach Britz zur Stechhanschen Mühle ist es ein ziemlich weiter Weg. Als die seit neun Jahren in Berlin lebende Londonerin Suzanne Smith im Februar 1987 auf die gerade wieder restaurierte Windmühle stieß, hatte sie eigentlich vor, dort Brotbacken zu lernen. „Ich dachte, das sei so'n Hausfrauenkurs, der in der Zeitung annonciert war.“ Der vermeintliche Kurs entpuppte sich aber als Ausbildung zum Windmüller unter der Obhut des Holländers Pet Leeuw. Leeuw, der die Mühle 1986 nach 50 Jahren Stillstand wieder in Betrieb genommen hatte, geht jetzt in Rente, und die neue Windmüllerin ist Suzanne Smith.
Gemeinsam mit einer weiteren Frau und acht Männern lernte die 33jährige Zahntechnikerin das Müllerhandwerk. Ohne Bezahlung paukten die 18 bis 52 Jahre alten Auszubildenden alles über Wetterkunde und Getreidearten sowie Funktion, Bedienung und Instandhaltung einer Windmühle. Das Anstrengende an der Arbeit für Suzanne Smith ist nicht die Bedienung der Windmühle - „das geht per Hebel“ -, sondern „das ewige Treppensteigen die sechs Stockwerke rauf und runter“.
Zum Lehrplan der angehenden WindmüllerInnen gehörten außerdem Führungen zur Technik und Geschichte des alten Gemäuers. Die Stechhansche Mühle auf dem Buga-Gelände steht unter Denkmalschutz und ist die einzige Windmühle in Berlin, in der Getreide gemahlen werden kann. Erbaut wurde sie im Jahre 1866 von einem Mühlenmeister namens Dörfer.
Die Bauart der sogenannten Holländermühle entsprach dem damaligen neuesten Stand der Technik. Die Flügel der Mühle werden durch ein kleines Vorrad in die richtige Windrichtung bewegt, wobei sich nur die Kappe dreht. Bei den alten Mühlen war die Bewegung des gesamten Gehäuses notwendig, um das Mühlwerk in Gang zu halten, wobei der Wind nicht optimal genutzt werden konnte. Ab 1936 lief die Mühle mit Dieselmotor, bis Kriegsbomben den Bau 1943 in eine Ruine verwandelten. 1959 erwarb das Land Berlin das kaputte Gemäuer, das pünktlich zur Bundesgartenschau wieder auf Vordermann gebracht wurde.
Das in der Windmühle gemahlene Weizen- und Roggenmehl bieten die MüllerInnen zum Verkauf. Die Bezahlung muß als Spende oder Trinkgeld deklariert werden, weil in dem senatseigenen Betrieb kein Profit gemacht werden darf. Wer will, kann zentnerweise Mehl mit nach Hause schleppen. „Auch einen Bio-Bäcker haben wir eine Zeit lang beliefert, obwohl unser Mehl gar nicht biologisch produziert wird“, erzählt die neue Windmüllerin. Dafür wird die Mühle umweltfreundlich ohne Abgase betrieben, was zur Folge hat, daß sich ohne Wind kein Mahlstein regt. „Windstärke drei bis vier ist schon notwendig.“ Statistisch ist das an 215 Tagen in Berlin der Fall. Suzanne Smith will weitere MüllerInnen ausbilden, die sich bei der Buga-Leitung bewerben können. Die frischgebackenen Müllergesellen, die jetzt alle ihr „Holländisches Windmüller-Diplom“ in der Tasche haben, wollen weiter in der Mühle ehrenamtlich arbeiten. Von einer Zukunft als Windmüller träumt jedoch keiner von ihnen.
Kathrin Elsner
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