Risiken

■ Kohl, Gorbatschow und die USA

Natürlich standen Gorbatschow und Kohl fest zu ihren jeweiligen Bündnissen. Der eine demonstrierte dies schon vor drei Wochen mit einem großen Bahnhof für Honecker und nun mit schroffen Tönen zur „offenen deutschen Frage“. Der andere bekannte sich zum Vaterland, zur EG, zur NATO und so weiter. Ansonsten herrschte politisches Frühlingswetter. Schewardnadse und Genscher wollen einen Vertragspassus erarbeiten, der das ständige diplomatische Hickhack um die Einbeziehung West-Berlins überflüssig macht. Beiden Seiten geht es darum, durch wechselseitige Abhängigkeiten politische Konflikte zu einem Risiko für beide Seiten zu machen.

Daß aber die westeuropäischen Regierungschefs gerade jetzt nach Moskau strömen, daß die Kreditabkommen gerade jetzt abgeschlossen werden, hat einen wesentlichen Grund im amerikanischen Wahlkampf. Die Kinder toben, solange der Lehrer anderweitig beschäftigt ist. Zwar ist Außenpolitik kaum Wahlkampfthema, aber die Stimmung ist mies. Ein westeuropäischer Export-Boom liegt nicht im amerikanischen Interesse. Das Reaktorgeschäft kann - Gott sei Dank durchaus an einem US-Veto im Pariser Cocom-Ausschuß scheitern.

Auch die sowjetische Regierung spielt risikoreich. Auf etwa zwölf Milliarden Mark belaufen sich die westlichen Kreditabkommen inzwischen. Mit ihrer Hilfe könnte zwar die Konsumbasis verbessert und Massenloyalität gesichert werden; sie müssen aber auch zurückgezahlt werden. Ob die sowjetischen Wirtschaftsapparate schon jetzt derartige Geldmengen gut plazieren können und ihre Waren konkurrenzfähig zu machen imstande sind, muß sich erst zeigen.

Erhard Stölting