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Beiräte: Einig gegen Straßenbau

■ Vahr, Schwachhausen, Mitte und östliche Vorstadt ziehen an einem Strang: Endlich Vorfahrt für Busse und Bahnen / Experten: „Straßenbau ist keine Lösung“ / „Überdruckventil“ Concordia-Tunnel soll bleiben

Allseits zufriedene Gesichter nach der Premiere: Zum ersten Mal tagten vier Bremer Ortsamts-Beiräte gemeinsam, zum ersten Mal brachten die Beiratsmitglieder aller Fraktionen einstimmig ihre Forderungen vor.

Stader Straße, Georg-Bitter-Trasse, Beneckendorff-Allee und vor allem die Schwachhauser Heerstraße sind seit Monaten nicht einfach Straßennamen, sondern Begriffe für Widerstandsnester gegen die Straßenbaupolitik des Senats. Die 60 Beiratsmitglieder haben sich die Proteste der örtlichen Straßen-Initiativen zu

eigen gemacht: Der Individual-Autoverkehr in den citynahen Bereich muß beschränkt werden. Keine weitere Staats-Knete darf in den Straßenbau dieser Quartiere fließen. „Die ganze Richtung paßt uns nicht“, schimpft der Vahrer Ortsamtsleiter Arnold Müller auf die Auto-Orientierung der Planung. Die Anwohner sind es leid, sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Behördenargumente, der Verkehr müsse doch irgendwo hin, lassen sie nicht länger gelten. Sie wollen, daß mit dem oft propagierten Vorrang für Busse und Bahnen endlich Ernst gemacht wird.

Erstens löse der Neu- und Ausbau von Straßen nicht die Probleme des Individualverkehrs. „Leistungsfähige“ Straßen ziehen neuen Verkehr magisch an. Zweitens fordern die Beiräte den Senat auf, mit Hilfe „eines unabhängigen Gutachtens endlich ein Konzept für den Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs“ (ÖPNV) in Bremen vorzulegen. Auch die Bundesbahn müsse dabei ihren Part spielen. Drittens wollen die Beiräte, daß Radwege saniert und ausgebaut werden. Am brisantesten schließlich ist die letzte Forderung: Solange kein Nahverkehrs-Konzept für die betroffenen Stadtteile vorliegt, sollen alle Straßenneu- und Ausbauten auf Eis gelegt werden.

Von drei Verkehrsexperten hatten sich die Beiräte zuvor

Schützenhilfe besorgt. Quintessenz des versammelten wissenschaftlichen Sachverstandes: Straßenbau ist heute keine Lösung mehr. Klaus Schäfer-Brede vom Büro für Verkehrsökologie konstatierte: Der umstrittene enge Concordia-Tunnel schließlich müsse bleiben. Er wirke im Straßenverkehr wie ein Überdruckventil. Werde dieser Engpaß beseitigt, gerate das gesamte System aus den Fugen.

„Wir sitzen hier nicht nach Parteien!“ illustrierte Schwachhausens Beiratssprecher Karsten Bahnson die neue Einmütigkeit im Beirats-Quartett. Versammlungsleiter „Hucky“ Heck und Arnold Müller wiesen denn auch weitergehende Forderungen von Straßen-Initiativen ab. In Vorgesprächen war vorsichtig die neue Einheit zwischen den vier Fraktionen und Beiräten abgeklopft worden. Der Hemelinger Beirat

hatte nach den Worten Hecks in der Vergangenheit eine eigensinnige Lobby-Politik betrieben und sei deshalb nicht eingeladen worden. Einstimmigkeit bei relativ allgemeinen Forderungen sei besser als Mehrheitsentscheidungen über konkrete Bauvorhaben. Ortsamtsleiter Arnold Müller: „In nächster Zeit müssen auch Aktionen stattfinden, um die wahnsinnige Verkehrsplanung zu verhindern.“

Günter Beyer

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