„Nationale Menschen sind bereit zu folgen“

In einem niedersächsischen Dorf empfing die DVU ihren Vorsitzenden Frey / Starker Polizeischutz für das Treffen / Bezirksverband Weser-Ems gegründet / NPD beansprucht Platz 3 auf der gemeinsamen Liste  ■  Von Schlösser und Weisfeld

Ältere Herrschaften im Sonntagsanzug treten am Bremer Hauptbahnhof wartend von einem Bein aufs andere. Mehr, als daß ein Bus sie abholen und ins geheim gehaltene Ausflugslokal bringen wird, wissen sie nicht. Selbst dem Busfahrer ist das Ziel unbekannt.

Auf den ersten Blick hätte es eine ganz biedere Kaffeefahrt ins Grüne sein können. In Wirklichkeit organisiert am Sonntag die rechtsradikale DVU ihren norddeutschen Aufbruch in den Europawahlkampf. Im weiten Umkreis von Bremen sind 300 Mitglieder mobilisiert worden für den Auftritt ihres Münchener Parteivorsitzenden und Nationalzeitungs -Herausgebers, Dr. Gerhard Frey. Ziel des konspirativ vorbereiteten Wahlkampfauftakts: Die Gründung eines DVU -Bezirksverbandes Weser-Ems.

Unter „Nazis-raus„-Rufen der versammelten Antifaschisten zieht Polizei auf, setzt Schlagstöcke ein, zwei Demonstranten werden vorläufig festgenommen. Demonstranten, die sich vor die Busse setzen, werden weggeschleppt. Zwei Eier treffen die Windschutzscheibe. Vor „Schmidts-Gasthof“ in der 1.000-Seelen-Gemeinde Huntlosen parken rund 60 PKWs aus der Umgebung. Etwa 300 Leute dürfen nach Vorzeigen ihres DVU-Mitgliedsausweises in den Saal.

Die Presse muß draußen bleiben: „Geschlossene Gesellschaft“ bedeutet ein bulliger Saalordner, dem mehrere kurzhaarige junge Männer breitbeinig zur Seite stehen. Während der Münchener Vorsitzende sich drinnen in einer von ständigem Beifall unterbrochene Grundsatzrede um eher bieder nationale Töne bemüht, wird draußen vor der Tür harte Stammtischpolitik gegen die „Versklavung des deutschen Volkes durch das internationale Judentum“ gemacht und von Stalingrad und Oberst Rudel geschwärmt. „Verbrecher, Zuhälter, Rauschgiftsüchtge, Prostituierte, Türken, Asylanten, Faulenzer, Parasiten - so sieht Deutschlands Zukunft aus“, fassen die Umstehenden zusammen, was sie von Dr. Frey gelernt haben. Drinnen wird derweil der Vorstand des neuen Bezirksverbandes gewählt. Eine Kandidaten Diskussion findet nicht statt. Es genügt, daß der DVU Vorsitzende für „alle Männer seine Hand ins Feuer legt“.

Mit der Versammlung von vergangenen Sonntag hat die DVU einen weiteren Schritt getan, ihre innere Struktur zu stärken, und in den kommenden Wahlkämpfen vom Kadergerüst der NDP unabhängig zu werden. Landesverbände hat die DVU inzwischen in allen Bundesländern gegründet. In Niedersachsen arbeitet sie inzwischen am organisatorischen Unterfutter: Kreis-und Bezirksverbände. Mitte Januar soll der Europawahlkampf dann mit einem bewährten Mittel losgehen, mit einer Postwurfsendung an 28 Millionen Haushalte. Wer auf die Wurfsendung reagiert, soll mit einer Schallplatte bedacht werden. Liedtitel: „Guten Morgen, Deutschland..“ Auf diese Weise will die DVU mindestens 1,5 Millionen Kontaktadressen in ihren Computer sammeln.

Von diesen Leuten erhofft sie sich, daß sie „Multiplikatoren- Funktionen“ ausüben, wie ein Sprecher der Partei gestern zur taz sagte: „Sie sollen zumindest ihre Familie mit zur Wahl nehmen, und uns weitere Adressen nennen“. Besonders scharf ist die DVU nach Insider Informationen auf Schützenbrüder, die ihr die Mitgliederlisten der Vereine zugänglich machen.

Die Kandidaten für die Europawahl werden im November bei einer Bundesversammlung der DVU gewählt werden. Die NPD, Bündnispartner von Freys Partei, hat auf ihrem Parteitag im Sommer auf eine eigene Kandidatur verzichtet, unter einer Bedingung: Jeder dritte Platz auf der gemeinsamen Kandidatenliste soll für sie reserviert sein. Von Bedeutung dürfte dabei nur der Platz drei sein, da soll der NPD -Vorsitzende Martin Mußgnug kandidieren.

Daß die Kandidatenkür auf der DVU-Bundesversammlung so über die Bühne gehen wird, wie es die beiden Parteivorstände abgesprochen haben, da ist sich der NPD-Pressesprecher Karl -Heinz Vorsatz sicher: „Nationale Menschen sind eher bereit, den vorgelegten Wahlvorschlägen zu folgen“. Wenn die Kandidatenlisten aufgestellt ist, dann wird die NPD auch die Wahlkampfkostenerstattung von 800.000 Mark zurückzahlen, die sie in mehreren Raten seit 1985 vom Bund bezogen hat unter der Voraussetzung, daß sie alleine zur Europawahl antritt. Da sie nun im Bündnis mit der DVU kandidiert, muß sie das Geld zurückgeben. Es sei aber inzwischen zinsgünstig angelegt, verriet Pressesprecher Vorsatz. Und nach der Europawahl werde die NPD von der reichen Schwesterpartei DVU mit einer Million für ihren Einsatz im Wahlkampf entschädigt.