Hör-Funken: Matrosen im November. ("Später ist kein guter Trost - Der Kieler Matrosenaufstand 1918")

Matrosen im November. („Später ist kein guter Trost - Der Kieler Matrosenaufstand 1918“, Radio DDR 2, 1700 - 1730) Nicht weil Matrosen sich auf Revolutionsspektakelbühnen so poetisch machen und in keiner Inszenierung der Revolutionen fehlen dürfen, wird in der DDR heute an den 3.November 1918 erinnert, als in Kiel für die Beendigung des Krieges demonstriert wurde, aber die Antwort darauf aus Maschinengewehren kam. Der Beginn der Novembertumulte mit allerlei Arbeiter- und Soldaten-Rat&Tat soll vielmehr auf das Lieblingsmotiv der DDR-Geschichtsschreibung hinweisen: daß der deutschen Revolution wieder einmal die Führungskraft fehlte, die erst mit der Gründung der KPD „aus der Revolution wuchs“. Offenbar nützen aber auch Führungskräfte wenig, denn die Revolution war bekanntlich ein Schlag ins Wasser und die KPD mußte sich darauf beschränken, Rettungsringe an Matrosen und andere Nichtschwimmer in den Geschehnissen zu verteilen. Wenn die Führungskräfte auftauchen, sind die historischen Bewegungen meistens schon wieder untergetaucht.

Chamöleon. (“... ich kann stets anders. Gott helfe mir!“, NDR 3, 2205 - 2235) Die Welt dreht sich, und mancher dreht sich fleißig mit, so daß er immer an der richtigen Stelle steht: Curzio Malaparte, Journalist und Schriftsteller aus der Toskana und mit sächsischem Vater, war im Ersten Weltkrieg Freiwilliger, in den zwanziger Jahren Faschist, in den dreißiger Jahren Mussolini-Gegner, im Zweiten Weltkrieg Korrespondent an der deutschen Ostfront; nach der italienischen Kapitulation Verbindungsoffizier bei den Amerikanern. In den fünfziger Jahren begeisterte er sich schließlih für Maos Volksrepublik, und wäre er nicht seit 1957 tot, hätte er vielleicht auch noch die Kurve vom Linksliberalen der Sechziger über den Trotzkisten der Siebziger bis zum neokonservativen Perestroika-Freund der Achtziger gekriegt. Seine Abenteuer des Drehens & Wendens werden, da er nun einmal tot und berühmt ist, in einem Disput zwischen einem Kritiker der älteren und einem der jüngeren Generation durchgespielt. Eine Studie über den Opportunismus eines Intellektuellen.

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