: „Müllexport ist absolute Notlösung“
■ Staatssekretär Manfred Popp vom hessischen Umweltministerium über den Müll-Export in die DDR und den Offenen Brief von DDR-Umweltschützern
taz: Ihr Ministerium hat einen offenen Brief von DDR -Umweltschützern erhalten, die sich darüber aufregen, daß Hessen mithilft, die DDR zur Müllkippe Europas zu machen. Was werden Sie den DDR-Bürgern antworten?
Staatssekretär Manfred Popp: Wir werden diesen ungewöhnlichen Brief gerne benutzen, um das Mißverständnis über den Standard der Entsorgung der DDR aufzuklären.
Was verstehen Sie unter Mißverständnis? Halten Sie die DDR -Deponien für sicher?
Das Mißverständnis betrifft die Vorstellung, daß in der DDR angeblich unkontrolliert und verantwortungslos abgekippt wird. Nach unseren Informationen und nach dem Urteil von Fachleuten wird in der DDR sehr verantwortungsbewußt vorgegangen und mit einem durchaus vergleichbaren technischen Regelwerk.
Ihr Haus war zu Zeiten von Umweltminister Fischer anderer Meinung. Damals hat Minister Weimar die Entsorgung in die DDR mit dem Hinweis moniert, daß die dortigen Entsorgungsstandards „ungleich niedriger“ seien.
Wir finden das weiß Gott nicht gut, daß wir auf eine Exportlösung angewiesen sind. Dies ist eine Folge der jahrelangen Untätigkeit der entsorgungspflichtigen Kreise. Wir betrachten den Export in die DDR als absolute Notlösung und wir werden alles tun, um diese Lösung zeitlich wie mengenmäßig im engstmöglichen Rahmen zu halten. Aber wir können jahrelange Versäumnisse nicht von heute auf morgen aufholen.
Was die früheren Sicherheitsbedenken von Weimar angeht, sind Sie ausgewichen...
Das war der zweite Teil ihrer Frage. Die Aussage über Standards müssen Sie bei jeder Umwelttechnik im zeitlichen Zusammenhang sehen. Heute wäre eine solche Deponie (Schöneiche und Deetz - d. Red.) bei uns nicht genehmigungsfähig. Auch die DDR verlangt heute andere Standards. In der Bundesrepublik sind in den siebziger Jahren viele Deponien mit ähnlichem Sicherheitsstandard genehmigt worden, und die sind auch heute noch in Betrieb.
Es gibt bei den DDR-Deponien keine Basisabdichtung, es wird bei der Müllverbrennung mit veralteter Technik gearbeitet und es gibt vor allem keine öffentliche Kontrolle, keine Daten, keine Informationen. Halten Sie angesichts dieser Situation den Müllexport für verantwortbar?
Die Müllverbrennung ist nicht unser Thema, das betrifft uns nicht. Die Frage der Verantwortbarkeit kann ich nur zurückgeben. Ihr Müll in Berlin geht doch auch auf diese Deponie. Wir sind ja auch nicht glücklich über diese Lösung. Es geht allein um die Frage, ob Sie das nach den technischen Maßstäben verantworten können. Wenn Sie die fehlende öffentliche Kontrolle durch die Bürger monieren, so ist da natürlich was dran. Was die behördliche Kontrolle angeht, sollten wir nicht so arrogant sein und so tun, als ob in der DDR unmögliche Verhältnisse bestehen. Die Kontrollen und das Regelwerk sind dort ähnlich differenziert wie bei uns...
Ich stelle jetzt nur mal amüsiert fest, daß Sie das politische System der DDR verteidigen.
Ich verteidige keineswegs das politische System. Ich sage nur, daß dort verantwortungsbewußte Fachleute arbeiten, die sehr sachkundig sind. Man macht es sich zu einfach, wenn man unterstellt, daß die in ihrem Hunger nach West-Devisen alles Mögliche machen.
Machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie die „Notlösung“ DDR als Hintertür benutzen, anstatt im eigenen Land endlich den Müll-Notstand auszurufen?
Den rufen wir täglich aus. Aber wir werden mit der Novelle zum hessischen Abfallgesetz auch die notwendigen Maßnahmen für eine geordnete Entsorgung ergreifen. Wir werden den Müll -Export dann über eine Zentrale abwickeln und teurer machen als eine Inlandsentsorgung. Und wir werden dafür sorgen, daß in Hessen die für die Entsorgung notwendigen Anlagen in kürzester Zeit realisiert werden.
Interview: Manfred Kriener
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