Unausgewogene Spendenmoral

Diäten-Gebaren der Grünen unter der Lupe / Nur acht von 43 erfüllen ihr Spenden-Soll / Abgaben an Öko-Fonds sollen beibehalten werden / Den einen hindert sein Bauernhof, den anderen die Haushaltshilfe  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die grüne Bundestagsfraktion steht mit über 700.000 Mark bei den Öko-Fonds der Partei in der Kreide. Mit Verspätung kam die Fraktion gestern der Aufforderung der Partei nach, das Diätengebaren der ParlamentarierInnen offenzulegen.

Nach den Sindelfinger Beschlüssen der Grünen sollen die Abgeordneten nicht mehr als 3.800 Mark netto aus ihren Diäten und Aufwandsentschädigungen für sich behalten und den Rest an die Öko-Fonds spenden, aus denen bisher auf diese Weise sechs Millionen Mark an Alternativprojekte und Initiativen flossen. Mit 2,3 Millionen Mark Spenden sei das Soll bisher zu 77 Prozent erfüllt, rechnete FraktionssprecherLippelt gestern vor und nannte das „trotz aller Schwierigkeiten eine gute Umsetzung“ der Beschlüsse.

Nur acht der 43 Abgeordneten haben allerdings in der bisherigen Legislaturperiode, so zeigt die jetzt veröffentlichte „rote Liste“, ihr Spenden-Soll vollständig erfüllt. Petra Kelly und Otto Schily halten sich überhaupt nicht an die Beschlüsse, sondern spenden in „eigenem Ermessen„; bei zahlreichen vor allem realpolitischen Abgeordneten gibt es Streitigkeiten über die abzuführenden Beträge. Zu den kritischen Fällen, die zwecks weiterer Klärung nun an die Landesverbände verwiesen werden, gehören die Vorstandsmitglieder Vennegerts, Kleinert und Garbe. Hubert Kleinert räumte dazu ein, „daß der Grad an Tugendhaftigkeit strömungspolitisch nicht ganz ausgewogen ist“. Kleinert wie seine Kollegin Vennegerts sprachen sich dafür aus, die Diäten-Beschlüsse zu ändern. Am Prinzip der Öko-Fonds solle zwar festgehalten werden, aber „kaum jemand“, so Vennegerts, sei „in der Lage“, sich „stur“ an die Beschlüsse zu halten.

Auf der „roten Liste“ reichen die Rechtfertigungsgründe für Nichtzahlungen von den Problemen im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb bis zu den Kosten einer Haushaltshilfe. Die ökosozialistische Fraktionssprecherin Regula Bott betonte hingegen mit Blick auf die Realos, auch „der konsumfreudigste Citoyen“ könne mit dem grünen Gehalt, das bei Kinderlosen real über 4.000 Mark netto liege, auskommen. Die Parteigremien müßten sich die rote Liste nun „sehr genau ansehen und politisch nachfassen“.

Für eine Abschwächung der Diätenbeschlüsse, die nur auf einem Parteitag beschlossen werden könnte, sieht Regula Bott auch in der Fraktion keine Mehrheit. Kleinert betonte hingegen, die gegenwärtige Regelung führe nur zu einer „Doppelmoral“, weil die Beschlüsse auf Schleichwegen umgangen würden. Kleinert: „Die Leute sollen lieber offen sagen, daß sie mehr Geld wollen.“