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Nix glasnost

■ Kunst der Diplomatie, Zensur der Kunst

Grund zur Freude gibt es genug. Eine Ausstellung „Zeitvergleich“, die vor fünf Jahren nicht von der Bundesrepublik nach West-Berlin wandern durfte, ist nun neu aufgelegt. Sie zeigt das Werk von 13 DDR-Malern, lebenden. Verantwortlich für die Neuauflage des Projekts, das man guten Gewissens eine Verkaufsausstellung nennen darf, zeichnen: der Berliner Galerist Brusberg, die Berliner Festspiele GmbH (Veranstalter aller Berliner Festivals inklusive Jazz-Fest, das gerade anläuft, sowie des Theatertreffens), und: der Staatliche Kunsthandel der DDR. Berlin bastelt an seinem Status. Während die Alliierten über Start- und Landerechte streiten, fliegen die Luftfahrtlinien nach dem Sommerplan weiter. Man mogelt sich so durch.

„Zeitvergleich“: Der Katalog ist prächtig, alles in Farbe. Ein kompetenter West-Berliner Kunstwissenschaftler hat die Künstler in den Ateliers besucht und berichtet. Und die Künstler kommen selbst zu Wort. Von dem Maler Hartwig Ebersbach findet sich allerdings nur ein „Kaspar„-Gedicht. Es gab da einen weiteren Beitrag von Ebersbach, der jedoch im Katalog nicht erschien.

Für den Katalog zeichnen die Berliner Festspiele verantwortlich, die den Zensurverdacht weit von sich weisen. Nun erschien aber der Maler selbst unter dem lichten Dach des Technischen Innovations Parks im Arbeiterstadtteil Wedding, wo die DDR-Bilder zu sehen sind, am letzten Samstag. Öffentlich, und vor laufenden Kameras, gab er zu verstehen, daß er zensiert worden sei. Kaspar konnte nicht nur nicht, er durfte auch nicht sprechen.

Dieser Beitrag ist aber noch nicht das ganze Opfer, das der großen Koalition von DDR-Offiziellen, West-Berliner Vergnügungsfunktionären und dem Kunsthändler dargebracht wurde. Ein zweiter Teil des Katalogs, eine „Dokumentation zur Kunst und Kunstpolitik der DDR 1945 -1988“, von allen Beteiligten zu Beginn der Planung gutgeheißen, fehlte gänzlich zur Eröffnung. Am Tag vorher, auf der Pressekonferenz, hatte allerdings noch ein 16seitiger Reader, Kostprobe der Dokumentation, die nachgeliefert werden sollte, ausgelegen.

Vor gut einer Woche ist die Dokumentation endlich erschienen. Man kann sie im Buchhandel beziehen. Grund zur Freude: Eine komplette Chronologie der ideologischen Querelen der Kunstpolitik der DDR hat es noch nicht gegeben. Außerdem läßt sich erkennen, wie Künstler versuchen, verlorenens Terrain argumentativ zurückzugewinnen - was schrittweise gelingt. Der Autor, Günter Feist: „In der Chronik kann man diese phasenweise erfolgende Abbreviatur der ganzen modernen Kunstgeschichte nachlesen: Die verschiedenen Kunststile werden nach und nach zugelassen und ausprobiert - und andersherum. Auch von der neueren Off-Szene ist die Rede.

Diese Dokumentation wurde erarbeitet unter Regie des Museumspädagogischen Dienstes (MD), einer Behörde des Berliner Kultursenators. Der MD war für die Festspiele eingesprungen, die sich schrittweise aus der Produktion der Dokumentation zurückgezogen hatten. Mit dem Argument, die Chronik sei keine hauseigene Produktion, erweitern die Festpiele nun den Verkauf der Dokumentation an der Kasse der Ausstellung, die noch fast drei Wochen läuft.

„Es liegt nahe, zu vermuten, daß die Festspiele nicht eigentätig als Zensor auf den Plan getreten sind. Ein Wink der DDR-Offiziellen, ein Zucken mit der Augenbraue dürfte genügt haben. Denn mit der Kooperation als Veranstalter, einem Novum in der kulturellen Ost/West-Berlin-Diplomatie, meint man Kontakte geknüpft zu haben, die sich „an neuen Stellen als fruchtbar erweisen könnten“ (Dr.Nachama, Festspiele). Je vager das, was man erhofft, desto größer ist die Angst, es durch einen falschen Schritt zu verlieren. Bonbons weggenommen zu kriegen, ist noch schlimmer, als Schläge zu bekommen.

Auch die Autonomie der Jury des Theater-Treffens, eröffnete die aufmerksame Journalistin Sibylle Wirsing vor einigen Tagen in der FAZ, soll dem Eintritt eines DDR-Jurors geopfert werden. Der wird nicht - wie bisher üblich - aus der Jury heraus gewählt, sondern den Theaterleuten ins Nest gelegt. Früher wollten die kalten Krieger uns weismachen, die westliche Demokratie hätte einen Anspruch auf Zugewinn der „Ostzone“. Nun scheint es, als wenn auf den diplomatischen Wegen der Verschwiegenheit demokratische Gremien und Funktionen außer Kraft gesetzt werden sollen.

Ulf Erdmann Ziegler

„Stationen eines Weges - Dokumentation zur Kunst und Kunstpolitik der DDR 1945-1988„, 192 S., Museumspädagogischer Dienst, Hardenbergstr.12, 100 Berlin 12 (14 Mark) oder im Buchhandel (Nishen-Verlag, Berlin, 20 Mark)

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