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Die Frau - das Innovationspotential der Zukunft

Die Männer in den Führungsriegen der Wirtschaft sind leere Hosen, jetzt ruft die Industrie nach der kreativen, intuitiven und kompetenten Managerin / Der Bundeskongreß „Frauen und Wirtschaft in den 90ern“ entwickelte den Prototypen der Erfolgsfrau  ■  Aus Berlin Helga Lukoschat

„Der Vorhang geht auf, meine Damen!“ Dr. Winfried Bauer, Unternehmensberater aus Frankfurt, brachte es auf den Punkt. Wenn es nach den Männern geht, haben die Frauen in der Wirtschaft bald das Heft in der Hand. Sie sind das unausgeschöpfte „Begabungspotential“, sie haben das, was den Männern an der Spitze offenbar fehlt: Kreativität, Intuition, soziale und kommunikative Kompetenz. Kurzum: „Die Wirtschaft braucht mehr weibliches Know-How, die Wirtschaft braucht mehr weibliche Führungskräfte“, so der Präsident der bundesdeutschen Arbeitgeberverbände, Klaus Murmann.

Die „Damen“ im Publikum reagierten auf Zukunftsmusik dieser Art manchmal geschmeichelt, meistens verärgert. Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache: von 52.000 Führungspositionen in der bundesrepublikanischen Wirtschaft sind lediglich 2.000 mit Frauen besetzt.

Der Bundeskongreß „Frauen und Wirtschaft in den 90er Jahren“ im Berliner Reichstag bot Frauenpolitik im neuen Stil: Es ging um Macht und Karriere und den Anspruch der Frauen, die „Herrenclubs“ in den Vorstandsetagen endlich aufzubrechen. Unter der Ägide der Berliner Jugend- und Familiensenatorin und frischgekürten FDP-Generalsekretärin Cornelia Schmalz-Jacobsen und der Berliner Frauenbeauftragten Carola von Braun diskutierten die über 500 TeilnehmerInnen über Rollenbild, Machtfragen und Strategien für Frauen.

Neu im Stil war auch die Organisation: Von den rund 450.000 Mark Kosten hatten den größten Teil private Sponsoren aus der Creme der bundesdeutschen Wirtschaft aufgebracht - von Schering über Nixdorf bis zur Deutschen Bank. Die Teilnahmegebühr betrug immer noch stolze 500 Mark - ein Betrag, der in der Berliner Frauenöffentlichkeit im Vorfeld für Ärger gesorgt hatte. Zwar war schließlich ein hoher Prozentsatz an Freikarten vergeben worden, aber dennoch hatten sich kaum Vertreterinnen der autonomen Frauenprojekte in die gediegene Atmosphäre des Reichstags verirrt. Dabei waren Foyer und Plenarsaal sogar mit allerlei weiblich -mystischem Symbol-Schnickschnack ausgestattet worden. Es gab ein spiralförmiges Environment aus Holz und Stein und Quarzsand für die Elemente des Lebens, einen purpurnen Ariadnefaden, der den „Erfindungsgeist der Frau“ verkörpern sollte. Selbst die Kaffeetheke war in Wellenform angelegt. Ganz selbstverständlich integrierten sich ins Gesamtkunstwerk die Stände der Computerfirmen und die wandhohe Videoinstallation mit ihrer flimmernden Schrift: „Post verbindet“.

„Dies ist kein Basiskongreß. Es geht nicht mehr um persönliche Befindlichkeiten“, hatte Carola von Braun zu Beginn des Kongresses klargestellt. Bundespolitische Prominenz aus allen Parteien war bei den ReferentInnen ebenso vertreten wie SpitzenfunktionärInnen der Gewerkschaften, der Verbände und Führungskräfte aus der Privatwirtschaft. Fragestellungen zur Frauenerwerbslosigkeit oder mangelnden sozialen Absicherung von Frauenarbeitsplätzen tauchten eher am Rande auf. Die Karrierefrau, die elegante Mittvierzigerin im Armanikostüm und Perlenkette bestimmte Diskussion und Erscheinungsbild. Es fehlte die „Normalfrau“, deren Nettoeinkommen zu 85 Prozent unter 1.800 Mark liegt, wie es ein Faltblatt der Frauenbeauftragten verriet.

Es fehlten aber auch die Männer. Eine Tatsache, die die Frauen besonders unmutig stimmte. „Ich hätte mir mehr Männer als Teilnehmer und nicht nur als Referenten gewünscht, die uns belehren“, beklagte sich eine Teilnehmerin öffentlich. Nun ja, das männliche Geschlecht ist eben Meister im Dozieren. Paternalistisch-fürsorglich kamen die seit Jahren bekannten Ratschläge: Frauen müßten mehr Durchsetzungsvermögen zeigen, mehr Aufstiegsorientierung, mehr Machtstreben. Aber für „von oben vorgebenene“ Fördermaßnahmen, gar Quoten, dafür konnten sich die männlichen Referenten überhaupt nicht erwärmen. Da war der Präsident der Arbeitgeber ebenso strikt dagegen wie wie ein Vorstandsmitglied der Berliner Bank, das sonst nicht müde wurde zu beteuern, daß Frauen die gleichen Chancen hätten. Händeringend werde in der Berliner Bank auch nach weiblichen Führungskräften gesucht. Gelächter im Publikum.

Ein geradezu klassisches Beispiel bot die Podiumsdiskussion über „Wirtschaftsredaktionen - die Hochburgen der Männergesellschaft?“. Die Kritik an der gängigen Wirtschaftsberichterstattung - daß im „elitären Insiderstil“ geschrieben wird, oder daß Frauen als Konsumentinnen mit bestimmten Wünschen an Produkte nicht auftauchen, wurde vom Podium schlicht nicht verstanden. „Sollen wir jetzt für Frauen extra einfach schreiben?“ kam es zurück. Und Helmut Gansterer, Chefredakteur bei dem österreichischen Wirtschaftsmagazin 'Trend‘, der sich sonst mit Wiener Charme als Frauenfreund präsentierte, rutschte es dann doch heraus: „Lieber werde ich Straßenfeger, als daß ich anfange, über Pampers und Milupa zu schreiben!“ „Frauenthemen“, so wurde deutlich, das sind allenfalls Porträts erfolgreicher Unternehmerinnen.

Der Prototyp der erfolgreichen Unternehmerin, wie sie 'Trend‘ und 'Capital‘ so gern im Blatt haben, war auf dem Kongreß natürlich auch vertreten. Marie-Luise Günther aus München, 33 Jahre. Innerhalb von siebeneinhalb Jahren hat sie vier Firmen gegründet. Sie spulte die Litanei vom Aufstieg aus dem Effeff ab und ganz im Stil wie er an bundesdeutschen Akademien in Mangerseminaren gelehrt wird: Frauen müßten absolute Einzelkämpferinnen sein und aufs Privatleben verzichten. „Erfolg ohne Verzicht ist Verzicht auf Erfolg“, so ihr simples Credo. Allerdings könnten Frauen eine „Kosten-Nutzen-Analyse zur Verzichtsminimierung“ erstellen. Sie selbst hofft, die „Familienphase“ ab Mitte dreißig einschieben zu können.

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