: taz-Redakteure im Interview
■ Barbara und (Tochter) Ruth Noack, Eintags-Chefinnen der Bremen-taz, befragt die Sonntags-Schicht der Bremer Lokalredaktion nach ihrem Selbstverständnis bei der Arbeit
Barbara Noack: Ich frage mich oft, wenn ich Eure Zeitung lese: Was geht eigentlich in Euren Köpfen vor sich, mit welchen Motiven macht ihr Eure Arbeit? Klaus Wolschner: Beim Schreiben denkt man da wenig daran. Ein bißchen schreibt man für sich, für die Sache, man denkt an diejenigen, die man wiedertrifft, die sich ärgern oder freuen. Die Leserschichten der taz sind vielfältiger als daß man so gezielt schreiben könnte.
Barbara Noack: Wenn ihr zusammensitzt als Konferenz, macht ihr Euch nie Gedanken darüberm an wen ihr Euren Artikel richtet? Einigt ihr Euch niht darauf?
K.W.: Wir haben eine Vorstellung davon, für wen wir schreiben und wer die Zeitung liets, das können wir amber nicht jeden Tag an einzelnen Artikeln bereden.
Susanne Paas: Das Problem
taucht auch auf, wenn uns ein Ereignis ganz nah ist, und wenn möglicherweise unangenehmes über jemanden berichtet wirden muß, was uns sonst nah steht.
Barbara Noack: Ihr denkt also beim Schreiben nicht an ein Publikum, dem ihr etwas mitteilen wollt..
Sybille Simon-Zülch: Auseinandersetung mit den Personen, über die ich schreibe, das würde für mich zutreffen. Ich schreibe am meisten für mich für meinesgleichen.
Regna Keichel: Innerhalb der Redaktion gibt es verschiedene Ansätze oder verschiedene Meinungen.
Barbara Noack: Wie denkt ihr über die Konkurrezn nach, über die anderen Medien, wenn ihr schreibt?
Klaus Schloesser: Ich denke nicht daran, wie der parallele Artikel in einem anderen Medium aussehen könnte. Mich interessen Brüche. Es gibt Brüce in der Politik zwischn vordergründigem Credo und tatsächlichem Handeln, es gibt zum Beispiel kleine Brüche im Untersuchungausschuß, wenn Leute überzeugte Zeugenaussagen machen, aber ihre Haltung, ihre Körpersprache ihre Unsicherheit verrät.
K.W.: Medien sind elementar notwendige Institutionen der Demokratie. Wenn wir morgens Themenplanung machen, dann wissen die Leser nicht, was sei am nächsten Tag interessieren soll,
sondern wir entscheiden ein stückweit, was wir ihnen vorsetzten, was sie interessieren sollte.
K.S.: Ich schreibe nicht, um Leser zu missionieren, sondern um Zustände zu beschreiben, und möglichst so zu beschreiben, daß Leser daraus Positionen überlegen können, zureichedes Informationsmaterial haben. Verschiedene Leser ziehen ihre eigenen, ganz verschiedenen Konsequenzn daraus.
Ruth Noack: Verleiten die Tatsache, daß es tägliche neue Informationen gibt, nicht dazu, daß nicht mehr über die Hintergründe nachgedacht wird? Überlegt ihr es euch, welche Konsequenzen es haben kann, einfach Informationen abzudrucken?
Barbara Debus: Ganz sicher. Man macht seine Arbeit von morgens bis abends und freut sich, wenn außer dem Pflichtprogramm Themen da sind, mit denen man ein Interesse verbindet und mit denen man etwas erreichen will. Das kommt vielleicht zwei oder dreimal in der Woche vor...
Susanne Paas: Quatsch. Gerade Du...
K.S.: Ich bin bei vielen Themen neugierig und habe längst nicht immer eine Meinung oder will etwas erreichen. Wir handeln ja mit Halbfertigprodukten, wir handeln mit Entwicklungen, ich weiß doch meistens nicht, wie die ausgehen oder wie ich die gerne hätte. Ich muß nicht immer sagen:
Ich persönlich halte davon das und das. Das wäre ein falsches Verständnis von Zeitung.
Barbara Noack: Für mich ist das Problem, ob ihr Euch im Klaren darüber seid, daß die völlig andere Wirkung haben als ihr bezweckt. Haltet ihr es für Eure Aufgabe, einen Politiker wie Bernd Meyer zu seinem Rücktritt zu bewegen? Ist das eine Sache, die man herbeischreiben möchte?
K.S.: Es geht erst einmal darum, möglichst viel herauszukriegen, Das ist offensichtlich nicht immer das Interesse derer, die etwas tun, daß es am nächsten Tag in der Zeitung steht. Manchmal gibt es da Widerstände. Es ist unser Job, diese Widerst ände so gut wie möglich zu überwinden. Und wenn dabei herauskommt, daß jemand verantwortungslos, dumm, ungeschickt aufgetreten istm dann steht das auch in der Zeitung. Dann mögen Leser, Betroffene, sich dabei etwas denken.
K.W.: Soweit ich weiß, hat niemand von uns im Bremer Lokalteil geschrieben, Meyer sollte zurücktreten. So ein Kommentar wäre denkbar, mich persönlich interessiert aber viel mehr, wie der Polizeiapparat arbeitet und was ein Politiker unter seiner Verantwortung versteht. Ob er zurücktritt oder nicht, ob er nur abhörsicheres Polizeifunkgerät kauft oder den Polizeiapparat so reorganisiert, daß bei einem ähnlichen Fall anders reagiert wer
den kann, ob die WählerInnen ihn beim nächsten Mal abwählen oder gerade wählen - das ist nicht mehr unsere Sache. Journalisten müssen sich hüten, kleine möchte-gern-Politiker zu spielen.
Barbara Noack: Ich will das noch einmal auf Meyer beziehen: Ihr habt nie versucht, Euch damit auseinanderzusetzen außer in ironischer Weise, daß er gesagt hat: Ich verstehe Verantwortung anders. Ihr geht nicht wirklich einen Dialog mit den Politikern ein.
K.W.: Dialog - das wäre das falsche Wort. Das darf Presse gar nicht, „Dialog“ führen mit Politikern. Dialog setzt eine gleiche Ebene voraus, Anknüfpungspunkte für gemeinsame Interessen. Parteien und Presse haben auch ganz unterschiedliche Interessen. Im Falle Meyer: Die Medien haben kämpfen müssen um jeden Fitzelchen an Information. Klar daß er versuchen muß, dieses und jedes vertraulich zu halten und zu verschweigen. Das sind konkurrierende Interessen, es kann gat kein sinnvolles Ziel für einen Dialog geben.
B.D.: Jede Art von Nähe, die ein solcher Dialog benötigt, kann total gefährlich sein. Ich gerate dadurch in die Gefahr, Rücksicht zu nehmen, nicht mehr unbefangen an Personen heran gehen zu können.
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