piwik no script img

Erbitterte Straßenschlachten in ganz Südkorea

■ Molotow-Cocktails und Tränengas in Seoul / Zehntausende fordern weiter die Inhaftierung von Ex-Präsident Chun Unruhen auch in anderen Städten / Abzug der US-Soldaten gefordert / Brandbomben auf US-Stützpunkte

Seoul (ap) - Tränengasschwaden lagen am Samstag über großen Teilen Seouls und sieben anderen Städten Südkoreas. Tausende Polizisten und Zehntausende Demonstranten lieferten sich erbitterte Straßenschlachten. Die DemonstrantInnen forderten ein Strafverfahren gegen den früheren Staatspräsidenten Chun Dee Hwan. Im Stadtzentrum von Seoul verbrannten sie Puppen, die Chun und „Uncle Sam“, das Symbol der USA, darstellten. In einem Geschäftsviertel der Hauptstadt protestierten bis zu 15.OOO Menschen. Sie wurden von einem Heer von Polizisten, das in gepanzerten Fahrzeugen anrückte, mit Tränengas beschossen. Die Demonstranten setzten sich mit Steinen und Molotow-Cocktails zur Wehr. Auf beiden Seiten gab es Dutzende Verletzte. In der Stadt Kwangju demolierten Studenten zwei Polizeibusse, acht Autos sowie zahlreiche Fensterscheiben. Auch Pusan, die zweitgrößte Stadt Südkoreas, war Schauplatz heftiger Zusammenstöße.

Dem Ex-Staatspräsidenten Chun wird Korruption und Verletzung der Menschenrechte während seiner siebenjährigen Amtszeit vorgeworfen. Der 198O durch einen Staatsstreich an die Macht gekommene General hatte im Februar sein Amt an seinen gewählten Nachfolger und Parteifreund Roh Tae Woo übergeben. Die politische Opposition fordert die Einleitung gerichtlicher Ermittlungen gegen Chun. Sie ließ sich auch dann nicht umstimmen, als die Regierungpartei ankündigte, daß Chun sich öffentlich entschuldigen werde. Ihre Wut richtete sich auch gegen die USA, da der koreanische Rundfunk am Samstag einen Bericht zitiert hatte, wonach die USA erwägen, Chun Exil zu gewähren. Sechs Brandbomben wurden nach Angaben von US-Behören auf US-Militäreinrichtungen geworfen. Die Studenten forderten außerdem den Abzug der 42.000 US-Soldaten, die in Südkorea stationiert sind.

Eine parlamentarische Untersuchung um die Machenschaften Chuns ist bereits im Gange. Dabei geht es unter anderem um die Niederschlagung eines neuntägigen Aufstandes in Kwangju im Jahr 198O. Nach offiziellen Angaben sollen dabei 2OO Menschen ums Leben gekommen sein, Oppositionelle schätzen jedoch, daß die Zahl der Toten um ein Vielfaches höher liegt.

Dissidentenführer kündigten jetzt in Seoul eine landesweite Kampagne gegen die Regierung an, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Unter Studenten wurde der Ruf nach noch größeren Kundgebungen in der kommenden Woche laut. Am vergangenen Donnerstag hatten erst 3O.OOO Menschen an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen. Dabei waren 38O Demonstranten verletzt und etwa 1OO verhaftet worden.

Kir

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen