: Mußte man Nazi werden?
■ Zitate aus der SFB-Sendung „Freitagnacht...“ mit Lea Rosh am 4.11.88
Ralph Giordano, Journalist, Autor (Die Bertinis), über Menschen, die in der Nazizeit Juden versteckt haben:
Alle diese Menschen, die das getan haben, wußten, daß ihr Leben verwirkt sein würde, wenn sie entdeckt werden würden das der Jüdin oder des Juden sowieso -, und wenn man diesen Begriff überhaupt benutzen mag, nachdem er so 'verwaschen‘ ist, das sind natürlich eigentlich die 'Helden‘ dieser Epoche.
Egon Monk, Regisseur (Die Bertinis) über den Grund, Die Bertinis zu verfilmen:
Ich habe es gemacht, weil es eine Geschichte der Zeit ist, dieser Zeit, die mich von allen Zeiten am meisten interessiert und von der ich nach wie vor glaube, die zwanziger Jahre als Vorgeschichte inbegriffen, daß sie alles in die Wege gelenkt haben, was uns heute beschäftigt, also das, was unsere Gegenwart ausmacht und auch unsere Zukunft bestimmen wird. Es ist also so, daß es von mir aus gesehen kein historischer Film ist, sondern ein gegenwärtiger, einer für heute und einer der, hoffe ich, noch über heute hinausweist.
Egon Monk, Regisseur, darüber, wie der Staatsapparat auch im kleinsten Detail funktionierte, zum Beispiel bei Polizisten, Staatsbeamten etc.:
Dachten sie überhaupt? Wenn sie dachten, was dachten sie? Natürlich suchten sie Schutz, das ist im Film auch zu sehen, hinter dem Gesetz, das Gesetz ordnete es an, und deutsche Beamte waren verpflichtet, Gesetze zu achten, und es waren ja Gesetze da, auf gewisse Weise sogar legale, denn Hitler war ja zum Reichskanzler ernannt worden. Er hatte sich nicht dazu aufgeschwungen, war zwar auch nicht gewählt worden, aber er ist ernannt worden. Das war ein legaler Vorgang, und das lähmte den Beamtenapparat. Sie folgten diesem legal ernannten Kanzler, aber sie hatten auch Skrupel dabei.
Wolfgang Benz, Historiker, antwortete auf die von zahlreichen Anrufern während der Sendung gestellte Frage: Warum immer wieder dieses Thema?
Was andere Völker getan haben, jeweils in ihrer Geschichte, das ist von den anderen Völkern zu verantworten. Was im Namen Deutschlands geschehen ist, ist auch im Namen Deutschlands zu verantworten, und es hat mit Kollektivschuld oder mit immerwährendem Bösen übehaupt gar nichts zu tun, wenn man den Tatsachen ins Gesicht blickt, wenn man sie sich in die Erinnerung ruft. Denn das einzige, was der Nutzen der Erinnerung ist, ist, daß es sich unter keinen Umständen wiederholen darf. Das ist, glaube ich, unser allererstes Problem.
Lea Rosh in Anspielung an den Historikerstreit:
Man muß festhalten, daß dieser Mord an den Juden, dieser Holocaust, ein einmaliges Menschheits- oder Geschichtsverbrechen ist. Das ist eben nicht zu vergleichen mit anderen. Das haben viele gesagt, und ich bleibe dabei, das ist ein singuläres Ereignis, ein singulärer Mord, und den muß man anders behandeln als anderes.
Wolfgang Benz, Historiker, zu Lea Roshs Frage: Was ist in der Pogrom-Nacht kaputtgegangen?
In dieser Nacht sind alle Errungenschaften der Emanzipation, der Aufklärung zuschanden geworden. Aber es war natürlich nicht nur diese Nacht, es waren auch die fünf Jahre vorher. Die Reichs-Pogromnacht ist ja keine singuläre Erscheinung. Sie kam auch nicht plötzlich. Da war vorher der Juden-Boykott, da war die Ausgrenzung und Ausschaltung der Juden aus allen Bereichen des sozialen und politischen Lebens.
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