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Lenin-Werft Opfer der Wirtschaftspolitik

Vor allem die Inflation macht polnischen Exporteuren zu schaffen / Unrealistischer Dollarkurs  ■  Von Klaus Bachmann

Wenn die Lenin-Werft aufgrund ihres defizitären Wirtschaftens zur Schließung verurteilt wurde, so ist dies weniger eigenen Management-Fehlern zuzuschreiben als der unentschlossenen Wirtschaftspolitik Warschaus. Die Schiffe, die auf der Werft gebaut werden, gehen zum großen Teil ins Ausland. In diesem Jahr sollten beispielsweise noch Schiffe für eine holländische und eine finnische Reederei zu Wasser gelassen werden. Daher muß die Werft ihre Dollar -Verkaufspreise dem Weltmarkt anpassen, Spielraum bleibt da angesichts der angespannten Lage im Schiffsbau kaum.

Das Problem, das sich stellt: Die Preise der Zulieferer explodierten im letzten Jahr teilweise um hundert Prozent. Zwar stieg im entsprechenden Ausmaß auch der inoffizielle Dollarkurs, also auch die Erlöse in Zloty gerechnet. Doch hat dies für die Werft keine Bedeutung, da sie ihre Deviseneinnahmen über einen staatlich festgelegten Kurs verrechnen muß. Und dieser offizielle Kurs wurde im letzten Jahr nicht entsprechend der Inflationsrate um hundert Prozent, sondern nur um ein Drittel angehoben. „Könnten wir nur auf der Basis der Hälfte des freien Dollarkurses abrechnen“, erklärte der Personaldirektor der Werft im Juni einer polnischen Wochenzeitung, „wären wir unsere Probleme los“.

Dies stimmt indes nur zum Teil: Die Abhängigkeit von den Zulieferbetreiben, häufig staatliche Monopolisten, bliebe erhalten. Mit dieser Abhängigkeit war die Werft stets in der Zwickmühle - einerseits Qualität liefern zu müssen, die auf dem Weltmarkt bestehen kann, andererseits aber keine Wahl bei der Materialbeschaffung zu haben. Wirtschaftlich gesehen ist die Schließung der Werft da der Weg des geringsten Widerstandes - schwieriger, aber auch konsequenter wäre es, Bedingungen zu schaffen, in denen die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes rational nachprüfbar wird.

Auf der Leninwerft entstanden beispielsweise Verluste durch die unrealistische Devisenverrechnung, die dann durch staatliche Subventionen wieder ausgeglichen werden mußte. Eine realistische Verrechnungsbasis hätte diese Absurdität zumindest eingeschränkt.

So mußte die Werft Zuflucht nehmen zu kurzatmigen Maßnahmen zur Eindämmung des Defizits: Verringerung der Vorräte, um die Lieferkredite zu mindern, Entlassungen, Einführung eines leistungsabhängigen Entlohnungssystems. Doch auch das konnte nicht dem Arbeitskräftemangel abhelfen - die Arbeitsbedingungen auf der Werft galten in Danzig als außerordentlich hart. Die Dollar-Probleme, die Polens Exporteure mit der hohen Inflationsrate haben, werden mit der Schließung der entsprechenden Betreibe nicht gelöst.

Ihren Ursprung haben sie in den Preiserhöhungen vom Anfang dieses Jahres. Da es auch durch sie nicht gelungen ist, die Produktion der wesentlichen Mangelwaren anzukurbeln, ist die Regierung vom vielbeschworenen „Marktgleichgewicht“ zwischen Geld- und Warenmenge weiter entfernt denn je. Die Verbraucher haben reagiert: Mit panikartiger Flucht in den Dollar haben sie nicht nur dessen Kurs weiter in die Höhe getreiben, sondern mit Hamsterkäufen das Ungleichgewicht noch weiter vertieft.

Die neue Regierung Rakowski hat nun ein Stabilisierungsprogramm angekündigt. doch sind diesen Erfolgsaussichten schlecht. Auch die zweite Etappe der Wirtschaftsreform konnte nicht halten, was sie versprach. Grund: Sie fand keinen Eingang in den derzeit gültigen Fünfjahresplan. Und der setzt weiterhin auf die hochsubventionierte Schwerindustrie.

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