: „Pampers“ will „Camel“ schlachten
■ Im Kampf um RJR Nabisco eine dritte Interessenten-Gruppe aufgetaucht / Wall-Street-Firmen streiten sich
In den Kampf um den US-amerikanischen Nahrungs- und Tabakmulti RJR Nabisco („Camel“, „Del Monte“) hat sich eine dritte Interessenten-Gruppe eingeschaltet. Zugleich beteiligen sich immer mehr Wall-Street-Firmen an diesem Übernahme-Karussell, und zwischen ihnen sind heftige Machtkämpfe ausgebrochen. Auch die Gerichte haben Arbeit bekommen.
Bislang überboten sich zwei Gruppen, um die Nummer sechs unter den weltweit agierenden Verbrauchsgüterherstellern zu kaufen (taz vom 2.11.). Die eine Bieter-Gruppe besteht aus dem Management von RJR Nabisco, das den eigenen Konzern aufkaufen will. Sie wird hauptsächlich von den Wall-Street -Firmen Shearson Lehman Hutton (quasi als Organisator) und vom Wertpapierhaus Salomon Brothers (für die Finanzoperationen an der Börse) unterstützt. Die andere Grupppe besteht aus dem Übernahme-Spezialisten Kohlberg Kravis Roberts (KKR) und dem Finanzhaus Drexel Burnham Lambert. Das letzte Gebot kam Anfang der Woche von der Gruppe um die Manager: 21,16 Milliarden Dollar. Die Finanzierung soll in beiden Fällen gleich aussehen: Maßgeblich über die Ausgabe von junk bonds, hochverzinslichen und hochspekulativen Wertpapieren. Mit dem Verkauf der Nichttabak-Bereiche an der Börse soll ein Teil der Schulden finanziert werden.
In der dritten Gruppe nun, die sich anscheinend über das letzte Wochenende gebildet und einstweilen noch keine Summe genannt hat, tummeln sich erstmals auch Interessenten aus der Industrie: Procter & Gamble, Nummer fünf auf dem Weltmarkt und in der BRD für die Marken „Pampers“, „Ariel“ und „Dittmeyer„-Säfte bekannt, und zwei kleinere Konzerne, der Tierfutter-Hersteller Ralston Purina und der Nahrungsmittelkonzern Castle & Cooke. Die hätten für RJR ganz andere Pläne. Der gesamte Betrag wird sofort bezahlt und anschließend die Food-Bereiche untereinander aufgeteilt: Die Cookies und Crackers, mit denen RJR Nabisco 45 Prozent des US-Marktes kontrolliert, landen bei Procter & Gamble. Die Getreideprodukte und das Tierfutter gehen an Ralston Purina, und Castle & Cooke bekommt den Obst- und Konservenhersteller Del Monte. Der Rumpf-Konzern, die alte „Camel„-Firma R.J. Reynolds, wird weiterverkauft. Für diesen Deal müßten um die 22 Milliarden Dollar lockergemacht werden, die die beiden Wall-Street-Firmen Forstmann Little und Goldman Sachs organisieren und finanzieren wollen.
Theoretisch ist sogar die Bildung einer vierten oder der Zusammenbruch einer der alten Gruppen denkbar. Denn um die Allianzen zu entzweien, machte das Nabisco-Management einen geschickten Schachzug: Bis Ende nächster Woche können auch Einzel-Angebote entweder für den Tabak- oder für den Food -Bereich abgegeben werden.
Doch zunächst werden wohl nicht nur Heerscharen von Wirtschafts-Anwälten, sondern auch Richter gebraucht. Denn die Investment-Firma Shearson Lehmann Hutton droht mit einer Klage gegen den Konkurrenten Forstmann Little, der die drei Industriekonzerne um sich geschart hat. Der Grund: Shearson und die Manager einem Bündnis gegen KKR aufgefordert und deswegen Einblick in die streng vertraulichen Kaufstrategien und Finanzierungsplanungen von RJR Nabisco gewährt. Jetzt behauptet Shearson, daß sich Forstmann dazu verpflichtet habe, sich nur auf der Seite Shearsons an der Auktion zu beteiligen. Forstmann behauptet natürlich das Gegenteil.
Wenig wahrscheinlich ist aber, daß sich Shearson und KKR, die beiden alten Konkurrenten, doch noch zusammenfinden, um ein drittes Mal über ein gemeinsames Gebot zu verhandeln und Forstmann auszustechen. Zu sehr sind die beiden Wall-Street -Finanzgiganten Salomon Brothers und Drexel Burnham Lambert aneinandergeraten, die jeweils hinter der Management/Shearson- und der KKR-Gruppe stehen. Für die beiden Wertpapier-Firmen geht es inzwischen um viel mehr als die 100 bis 200 Millionen Dollar, die sie allein an der Finanzierung der Operationen verdienen. Auf dem Spiel steht für beide die Vorherrschaft auf dem Wertpapier-Markt.
Für Drexel würde es einen riesigen Zuwachs an Reputation bedeuten, endlich aus dem immer noch obskuren junk bond -Markt aufzusteigen, indem es eine der seriösesten und größten Wertpapier-Häuser schlägt - wenn auch mit junk bonds. Und Salomon, einst König des Wertpapier-Marktes, kann sich einen Drexel-Sieg nicht leisten. Seit Anfang der achtziger Jahre hat Drexel den Salomon Brothers immer wieder große Kunden weggeschnappt. Das Haus gilt zwar nicht als angeschlagen, mußte aber in diesem Jahr erstmals auf den ersten Platz im Geschäft verzichten.
Und doch könnten auch hier die Gerichte noch einen Strich durch die Rechnung machen. Sowohl Drexels junk bond-Chef Michael Milken als auch die Firma selbst haben Post von der Justiz in Manhattan bekommen und mit Anklagen zu rechnen, weil sie in Insider-Geschäfte verwickelt gewesen sein könnten. Dann wäre Drexel ganz plötzlich wieder aus dem Rennen.
Dietmar Bartz
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