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Der lange Arm der Securitate

Rumäniens Geheimdienst gehört zu den gefürchtetsten / Überläufer berichten: Bombe in Chruschtschow-Biographie / Zusammenarbeit mit Rechtsradikalen und Gründung fingierter Dissidentenzirkel / Handelsdelegation in Wien oberste Geheimdienstzentrale  ■  Von Konrad Laibach

Eigentlich war der rumänische Schriftsteller Paul Goma gewarnt. „Der lange Arm der Revolution wird dich erreichen, wo immer du auch bist“, hatte der rumänische Polizeichef Plecita vor seiner Ausreise gedroht. Unbekannte erneuerten die Drohung dann in der Pariser Metro und der New Yorker U -Bahn: „Wir werden dich bulgarisieren.“ Eine unzweideutige Anspielung auf die bulgarische Methode, unangenehme Emigranten per vergifteter Regenschirmspitze ins Jenseits zu befördern. Was dann aber Goma harrte, war kein Regenschirm, sondern eine spanische Chruschtschow-Biographie mit eingebauter Bombe. Goma legte das explosive Werk in die Badewanne und rief die Polizei. Das nächste Mal schickte Plecita dem Exilliteraten einen bezahlten Mörder nach Paris. Laut Anweisung sollte er Goma und dessen Journalistenkollegen Virgil Tanase umbringen. Tanase hatte sich in der französischen Presse einige Gehässigkeiten gegen „Seine Majestät Ceausescu I., kommmunistischer König“ geleistet.

Beide, Tanase und Goma, leben noch heute. Der Mann, der beide ermorden wollte, lief nämlich 1982 zur französischen Spionageabwehr über. Die wiederum inszenierte eine Entführung von Tanase und fingierte einen Giftanschlag auf Goma. Haiducu, so der Name des Überläufers, meldete Vollzug nach Bukarest und kassierte ab. Dann trat er zusammen mit seinen beiden Opfern in einer Pressekonferenz des französischen Fernsehens auf. „Haiducu packte groß aus“, erinnert sich Goma heute.

Nachdem sich die Pariser Residenten des rumänischen Geheimdienstes „Securitate“ von der Aktion nicht sonderlich beeindruckt zeigten, fuhr Frankreich Ende 1984 noch einmal schweres Geschütz auf. Wieder kam Haiducu zu Wort. Diesmal identifizierte er vor den Augen der Nation die halbe Botschaftsbesetzung der Rumänen in Paris als „Securitate -Agenten“. An der Spitze des Agentennests: Dumitru Aninoiu, seines Zeichens Botschafter. Aninoiu war zuvor Botschafter in Wien gewesen. Wien, zusammen mit Luxemburg, so Haiducu im französischen Fernsehen, sei Hauptdrehscheibe der rumänischen Spionage. Die rumänische Handelsdelegation in Wien fungiere als „oberste Geheimdienstzentrale für Westeuropa“. Die rumänische Botschaft in Paris hatte zwar versucht, die Sendung zu verhindern. Doch nun war es zu spät. Aninoiu mußte zurück nach Bukarest. Heute ist er Leiter der rumänischen KSZE-Delegation in Wien. Spezialgebiet: Menschenrechte.

Eingekauft ins Parlament

Als sich an jenem Aprilabend kurz vor den Wahlen zum Europaparlament in der Pariser Rue Varenne - gegenüber der Residenz des französischen Premierministers - Jean-Marie Le Pen mit dem ihm bis dahin völlig unbekannten Gustave Pordea traf, wußte er nicht, daß er in Kürze um eine halbe Million Francs reicher sein würde. Pordea war gebürtiger Rumäne, der sein Land 1948 nach kurzer Tätigkeit in der rumänischen Diplomatie verlassen hatte. Ein Jahr vor dem Treffen mit Le Pen hatte er erst die französische Staatsbürgerschaft erworben.

Jetzt wollte er noch etwas erwerben: einen Sitz im Europäischen Parlament auf der Liste von Le Pen. Er sei bereit, eine halbe Million Francs dafür hinzublättern. Als Le Pen über seine Frau von dem Angebot erfuhr, soll er sofort gesagt haben: „Pordea wird Vierter auf der Liste.“ Er wurde. Am 23.Mai 1984, zwei Tage nach der Geldübergabe, erschien Pordea auf der Liste von Le Pens „Front National“ als „G.A. Pordea, Dr.jur., ehemaliger Diplomat und Honorarkonsul der polnischen Exilregierung in London“.

Unnötig zu sagen, daß die polnische Exilregierung von einem Konsul Pordea nichts wußte. Auch Le Pen wußte wohl nicht, wer sich da bei ihm eingekauft hatte. Das vermutete selbst die Pariser Tageszeitung 'Le Matin‘, die kurz nach Pordeas Wahl mit der Geschichte an die Öffentlichkeit ging. Sie stützte sich vor allem auf die Aussage des prominenten rumänischen Überläufers Ion Pacepa, der 1978 in den USA Schutz gesucht hatte. Doch bereits 1978 hatten sich die Geschichten des Securitate-Chefs als wenig vertrauenswürdig erwiesen. Seine Angabe, mehrere hohe SPD-Politiker stünden im Sold des rumänischen Geheimdienstes, erwies sich als Flop. Pacepa war den Übertreibungen seiner ehemaligen Untergebenen zum Opfer gefallen.

Diesmal jedoch war sich 'Le Matin‘ sicher. Beim anschließenden Verleumdungsprozeß Pordeas gegen die Zeitung sollte Pacepa persönlich auftreten. Doch der schaffte es zwar bis Paris, schätzte das Risiko, „bulgarisiert“ zu werden, allerdings als zu hoch ein. Er schickte der Reporterin, die die Pordea-Story zu verantworten hatte, einen Brief, in dem er ihre Geschichte bestätigte. Dann flog er ab.

'Le Matin‘ verlor den Prozeß. Dafür nahm die Londoner 'Sunday Times‘ 1986 den Faden wieder auf. In einer minutiösen Recherche wies das Londoner Blatt nach, daß sich Pordea exakt am 13.Dezember 1983 im Wiener „Bristol“ mit einem rumänischen Geheimdienstler mit Namen Costel Mitran getroffen hatte. Gerade fünf Tage zuvor hatte Pordea die französische Staatsbürgerschaft erhalten. Der Schriftsteller Paul Goma: „Pordea klagte, erschien dann aber nicht zum Prozeß gegen die 'Sunday Times‘.

Das Europäische Parlament begann eine Untersuchung auf Antrag der Sozialisten, die allerdings wegen Pordeas Immunität im Sande verlief.“ Pordea sitzt weiterhin für die „Front National“ im Europaparlament. Laut Le Pen als „Sprecher für die Völker Osteuropas“.

Was Pordea indessen für Rumänien so wertvoll macht, ist sein Image als extremer Antikommunist. Das nämlich macht seinen Einsatz gegen die - wie er es nennt „ungerechtfertigten Forderungen der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen“ erst so richtig glaubwürdig. Paul Goma: „Wir haben ihn auch nie als Spion bezeichnet. Er ist ein Einflußagent, eine Art Propaganda-U-Boot.“ Pordeas seltsame rumänische Freunde versuchten denn auch zu retten, was zu retten war. Nicht eben geschickt: Am 10.Januar widmete das rumänische Boulevardblatt 'Soptamina‘ dem rechtsradikalen Abgeordneten eine ganze Seite, in der es 'Le Matin‘ und die 'Sunday Times‘ angriff und Pordea verteidigte. Ein bißchen seltsam sei es schon, schrieb 'Le Matin‘ anschließend, daß Rumäniens Presse einen militanten Antikommunisten und „Verleumder der Volksdemokratien“ so in Schutz nehme.

Schlechte Zeiten für

falsche Diplomaten

Die Fälle Aninoiu und Pordea machen eines deutlich: Angesichts der lauter werdenden internationalen Kritik an Rumänien geht die Securitate immer mehr dazu über, Propagandaaktionen an die Stelle von Morden, von „Bulgarisierungen“ zu setzen. Schon seit Jahren gab es keinen Anschlag mehr, der der Securitate zuzurechnen wäre, bestätigt auch L. Tofan, leitender Redakteur der rumänischen Sektion von „Radio Freies Europa“ (RFE) in München. Jahrelang war der Münchner Sender Lieblingsziel rumänischer Attentäter. RFE-Mitarbeiter und unliebsame Emigranten waren ihres Lebens nicht mehr sicher. Eine lange Liste der Opfer zeigt es:

-Am 23.August 1978 geht der Wagen von Ferenc Koreh, Mitarbeiter von RFE, in New York in Flammen auf. Koreh springt noch rechtzeitig aus dem Wagen.

-Am 28.Juli 1982 wird RFE-Redakteur Dr.Emil Georgescu vor seiner Wohnung in München niedergestochen. Er stirbt Jahre danach an den Spätfolgen.

-Bereits im Februar des gleichen Jahres hatte eine Bombe einen Teil des RFE-Rundfunkgebäudes in Trümmer gelegt. Fast gleichzeitig waren in Paris Paul Gomas Chruschtschow -Memoiren in die Luft gegangen.

Die Nerven vieler Emigranten sind in dieser Zeit nicht die besten. Manche, wie der aus Siebenbürgen emigrierte Ungar Geza Szöcs, halten ihre Adresse geheim, verkehren mit der Außenwelt vorwiegend über Kontaktleute. Doch auch die Securitate hat's nicht leicht. Überläufer machen ihr zu schaffen. Der erste Mann, den Bukarest nach München schickte, um Georgescu den Garaus zu machen, läuft zur Polizei über, nicht ohne zuvor den Redakteur anzurufen: „Ich kann's nicht tun.“ Im September 1984 ist der nächste Überläufer fällig. Diesmal kommt er aus der rumänischen Botschaft in Bonn. „Die bereits begonnene Stellenreduzierung innerhalb der Botschaft setzte sich fort“, schrieb der Verfassungsschutz lapidar.

In der Bundesrepublik, in Frankreich, in Großbritannien und den USA sieht sich Rumänien an den Pranger gestellt. Nicht nur wegen der Securitate-Anschläge, sondern auch, weil in den westlichen Medien Dorfzerstörung, Verfolgung der Minderheiten und rumänischer Personenkult zum Thema werden. Schwere Zeiten für Rumäniens falsche und echte Diplomaten.

Dissidenz als Tarnkappe

In einem kleinen Büro in Budapest betreibt Attila Ara-Kovacs seine 'Siebenbürgische Presseagentur‘. Das ist eine Art Nachfolgeunternehmen zu 'Ellenpontok‘, jener ungarischsprachigen Untergrundzeitschrift, die Ara-Kovacs bis 1986 zusammen mit Geza Szöcs herausgegeben hatte. Nicht zuletzt deshalb hatten beide denn auch 1986 Rumänien verlassen müssen. Seitdem verbreitet Ara-Kovacs in Budapest Nachrichten aus Siebenbürgen an die internationale Presse. Am Anfang noch bespitzelt von der ungarischen Staatssicherheit wird er heute von ihr bewacht.

Da Ara-Kovacs‘ Nachrichten über die Verfolgung der Siebenbürger Ungarn Bukarest alles andere als gleichgültig sind, sie dem kleinen Ungarn aber im „Bruderstaat“ Ungarn kaum an die Gurgel können, scheinen sie sich nun etwas anderes ausgedacht zu haben.

Seit einiger Zeit werden von Wien aus Nachrichten einer 'Hungarian Democratic Disidence News‘ an die Redaktionen verschiedener Zeitungen verschickt. Die Bulletins, die den Anschein erwecken wollen, in Budapest zu erscheinen, sind allerdings, so sagen Übersetzer, nicht aus dem Ungarischen, sondern aus einer romanischen, wahrscheinlich der rumänischen Sprache ins Englische und Französische übersetzt. Die ungarische Version ist voller Grammatik- und Rechtschreibfehler. Inhaltlich ist das ganze äußerst dubios: Die 'News‘ attackieren die ungarische Führung als „antisemitisch, nazistisch, faschistoid“, und zwar ohne Ausnahme. Eine Attacke auf Ungarns Invasion in der CSSR 1968 erfolgte im letzten August.

Als einziges Land hatte Rumänien an der Niederschlagung des Prager Frühlings nicht teilgenommen. „Die freie Welt“, schrieben die unbekannten Verfasser, „soll wissen, daß das, was unsere Führung verkündet, nichts mit 'Glasnost‘ zu tun hat.“ Exakt dies ist auch der Tenor der rumänischen Propaganda gegen Ungarn. Unnötig zu sagen, daß es innerhalb der ungarischen demokratischen Opposition keine Gruppe gibt, die sich „Hungarian Democratic Disidence“ nennt.

Unklare Fronten

Für „Fiktionen“ hält der in Berlin lebende rumänische Schriftsteller William Totok auch viele jener Ceausescu -Biographien, die in letzter Zeit auf den Markt geworfen wurden und den „Conducator“ in den Himmel heben. Totok: „Man nehme einen abgewrackten Journalisten, zahlt ihm einen Haufen Geld und bringt dann das Werk auf den Markt.“ Für den Leser sind manche der geschickt gemachten Propagandaschinken nicht auf den ersten Blick durchschaubar.

Seltsame Dinge scheinen da gelegentlich im Propagandanebel auf: Da erscheint in Italien ein Buch über den rumänischen Faschistenführer Antonescu, geschrieben von einem Mann, der zugleich Mitarbeiter der offiziellen rumänischen Presseagentur 'AGA‘ ist und der darin Dokumente zitiert, die er nach Ansicht rumänischer Historiker nur aus dem Archiv der Securitate haben kann. Herausgegeben wird das Ganze von einem in Venedig beheimateten „Europäischen Zentrum für historische Forschungen“. Das hört sich gut an. Wer weiß schon, daß das Zentrum von einem Mann geleitet wird, der vor dem Zweiten Weltkrieg Mitglied der faschistischen „Eisernen Garde“ war? Zur Erinnerung: Bereits der 1981 niedergestochene RFE-Redakteur Georgescu hatte gefälschte Drohbriefe erhalten, die den Eindruck erwecken sollten, von einer faschistischen Exilorganisation abgesandt worden zu sein. William Totok: „Da verschwimmen die Grenzen ziemlich.“

Das ist nicht der einzige Fall mit „verschwimmenden Grenzen“. Wie ist es möglich, fragt Totok, daß der ehemalige Chefredakteur der rumänendeutschen Zeitschrift 'Banater Post‘, Horst Fassel, nach Rumänien reisen und in aller Ruhe sogar Interviews für die rumänische Presse geben kann während andere Exiljournalisten wie der erwähnte Virgil Tanase um ihr Leben selbst im entfernten Paris fürchten müssen? Es ist wohl deshalb möglich, weil Fassel anders als Tanase auch nicht den Conducator Ceausescu, sondern rumäniendeutsche Schriftsteller in der Bundesrepublik angegriffen hat. „Wenn's um die Propaganda geht“, meint Totok, „gibt es für Ceausescus Mannen keine ideologischen Hemmschwellen mehr.“

„Aufklärung sowie die Infiltration der Aussiedler und Emigrantenverbände“ gibt der Verfassungsschutz als Hauptziele der „rumänischen Legalresidentur in Bonn“ an. Letztes Jahr bröckelte die Front der Ceausescu -Propagandisten weiter ab. Dumitru Mazilu, bis dahin treuer Diener seines Herrn, war drauf und dran, die Fronten zu wechseln. Der rumänische Diplomat, seines Zeichens Leiter der rumänischen UN-Unterdelegation für Menschenrechtsfragen, konnte von seinen Vorgesetzten gerade noch rechtzeitig nach Bukarest zurückbeordert werden, bevor er die Vereinten Nationen über „permanente Verletzungen der Rechte und Freiheiten junger Menschen in Rumänien“ informieren konnte.

Daß er es vorhatte, ging aus einem Brief hervor, den Mazilu aus Bukarest an eine Presseagentur schmuggelte. Darin teilte er auch mit, er stehe unter Hausarrest und sei mit seiner Familie einem „ganzen Arsenal repressiver Maßnahmen“ ausgesetzt. Bukarest teilte mit, der Diplomat habe eine Herzattacke. Nicht einmal UN-Generalsekretär Perez de Cuellar durfte ihn besuchen. Bukarest teilte mit, „Inspektionen“ seien nicht erwünscht. Seitdem hat man von Mazilu nichts mehr gehört.

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