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Protest gegen Pogrom-Shows

Frankfurter Börneplatz-Initiative übt Kritik an der „Kulturisierung des Verbrechens“ / Musik soll nicht „jüdische Musik“ werden / Gegen Geschichtsverdrängung und Ausgrenzung von Minderheiten  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Über zwei Stunden harrten rund 1.000 Menschen am kalten Mittwochabend vor der Alten Oper in der Frankfurter Innenstadt aus. Zur Kundgebung aufgerufen hatte die Börneplatz-Initiative. Sie wollte „das Schweigen brechen“ und gegen den offiziellen Kultur-Rummel protestieren. Während draußen protestiert wurde, bereitete man in der Alten Oper eine Veranstaltung vor, bei der am späteren Abend unter anderem Musik von Berg und Schönberg gespielt werden sollte. Solche Kulturprogramme zum 9.November, so die Initiative, die bewußt auf namentlich gekennzeichnete Beiträge verzichtete, seien die „Kulturisierung des Verbrechens“. Sie machten Musik zu „jüdischer Musik“ und klebten Künstlern und Wissenschaftlern einen „kulturellen gelben Stern auf“. Es gehe vor allem den Politikern darum, „geschichtlichen Sondermüll zu entsorgen“ und Versöhnung statt Erinnerung zu betreiben. Die ehemaligen Täter sollten so zu Opfern gemacht werden. Auf einem überdimensionalen schwarzweißroten Transparent konnten die Besucher der Kulturveranstaltung lesen: „Wir wollen sein ein einig Volk von Opfern“.

Die grüne Stadtverordnete Manon Tuckfeld verlas außerdem einen Text, in dem ein junger jüdischer Mann seinen Abtransport aus Frankfurt in der Reichspogromnacht schilderte. Die Männer waren zum Sammeln zum Opernplatz getrieben und von dort zum Bahnhof gebracht und in Viehwaggons verladen worden.

Im Verlauf der Kundgebung nannten die VeranstalterInnen zahlreiche Namen von Frankfurter und anderen Konzernen, Banken und Einzelhandelsgeschäften, die sich durch Judenvernichtung und Krieg bereichert haben. Die Kundgebung wandte sich ebenso gegen die Verdrängung der Geschichte wie gegen die heute in der Bundesrepublik praktizierte Ausgrenzung von Minderheiten.

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