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Otze aus der Asche

■ Nach halbjährigem Dauerversagen gewinnt Ordenewitz gegen Bochum mit 2:0 / Fans: „Das darf doch nicht wahr sein“: Werder braucht für zwei Tore 20 Chancen

„Die Bremer san guat im Chancen vernichten“, sagt der Bayern -Fan, den ein Verwandtenbesuch nach Bremen und dann auf die Tribüne des Weserstadions verschlagen hat. Der Mann sagt es voller Genugtuung und recht hat er auch noch.

Gespielt ist inzwischen eine

Stunde. Daß die Anzeigentafel wieder einmal kaputt ist, ist völlig egal: Anzuzeigen ist eh nichts. „Dös giabt doch wieder a 0:0,“ sagt der Bayer in Bremen voller Schadenfreude und mit gutem Grund. Denn nun kommt auch noch einer ins Spiel, der seit Wochen Garant für Fehlpässe, Flankenläufe über die Torauslinie und Schüßchen Richtung Eckfahne ist. Frank Ordenewitz heißt der junge Mann.

Im letzten Jahr, nachem Rudi Völler gegangen und bevor Karl -Heinz Riedle zu großer Form aufgelaufen war, war er Werders Torschütze vom Dienst. Das brachte ihn gar einmal in die Nationalmannschaft und von da an gelang im schier nichts mehr. Das heißt: fast nichts mehr. Lediglich bei Einwürfen schaffte er es bisweilen, dem Kollegen Kicker den Ball vor die Füße zu werfen.

Stars brauchen einen Kosenamen und so riefen ihn die Fans damals liebevoll Otze. Als der junge Mann am Samstag gegen Bochum für Frank Neubarth auf den Platz lief, klang das „Otze“ aus dem Mund der Fans wie ein kollektives Stöhnen: „Auch das noch.“

Vier Minuten später: Otze nimmt 17 Meter vor dem Bochumer Tor den Ball an, Rücken zum Tor, läßt das Leder kurz auftrumpfen, dreht sich derweil und tritt dann kräftig zu. 1:0. Neun Minuten später läuft Kollege Meier mit dem Ball alleine auf den Torwart zu. Als ein Bochumer ihn am Trikot berührt, läßt Meier sich in gesunder Selbsteinschätzung auf dem Rasen fallen. Statt einer weiteren vergebenen Chance gibt's Elfmeter.

Und weil der Otze gerade so in Schwung ist, nimmt er Riedle den Ball weg und donnert das Leder mit solcher Wucht auf die Tormitte, daß der Bochumer Keeper Zumdieck das Leder nur noch in die linke untere Ecke lenken kann: 2:0.

Das wars dann auch, zumindest was die Tore angeht. Werder hat sich langsam wieder an die Spitze herangespielt. Drei Minuspunkte hinter Bayern, und punktgleich mit dem Zweiten, dem VfB Stuttgart. „Wir sind wieder einigermaßen gut im Geschäft“, meinte hernach Trainer Otto Rehhagel zufrieden. Doch betrachtet man das Spiel über die

90 Minuten, steht zu befürchten, daß es beim „einigermaßen“ bleibt.

Werder, das ist in dieser Saison eine Mannschaft, die hübsch nett kombiniert; das sind Spieler, die sich den Ball auf engem Raum mit Hacken, Kopf und Spann zuspielen. Bis, ja bis zu dem Raum, auf dem sich der Zweck des Spiels angeblich erfüllen soll. Vor dem Tor geht nichts mehr. Nicht, daß die Werder-Spieler sich hier den Ball abjagen ließen, nein. Gekonnt flanken Meier, Neubarth und Hermann ein ums andere Mal vors Tor und gekonnt köpft dann ein Kollege, mit Vorliebe Riedle, den Ball Richtung - Toraus. Alleine zwischen der 33. und 36. Minute vier Mal.

Wenn 14.000 Zuschauer „Das gibts doch gar nicht“ stöhnen, ist auch das ein aufregendes gemeinsames Erlebnis. Nur Torschreie sind schöner. „Mir ham vielleicht net die bessre Mannschaft, aber mer san arroganter und cooler. Und deshalb wer mer dies Jahr wieder Örtser“, sagt der Bayer nach 90 Minuten Werder gegen Bochum. Wird wohl war werden.

hbk

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