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Gefälligkeits-Politik-betr.: "Lehrmeister Kohl mahnt die Russen", taz vom 26.10.88

betr.: „Lehrmeister Kohl mahnt die Russen“,

taz vom 26.10.88

So positiv Gorbatschows Ansätze in vieler Hinsicht sind, so unverkennbar ist doch, daß er in außenpolitischer, wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht zunehmend eine Politik der Unterwerfung gegenüber dem Kapitalismus verfolgt.

Es ist beschämend, mit welcher Servilität er jetzt Kohl zu Willen gewesen ist, der rotzfrech ein rein innersowjetisches Problem, nämlich die Frage eventueller Minderheitsrechte für „deutschstämmige“ Sowjetbürger, zu einer Angelegenheit der BRD und ihrer Deutschtümelei erklärt. Zum Kotzen ist, wie Gorbatschow dem Gast aus dem Land der Hochsicherheitstrakte, dessen politische Gefangene unter der Bezeichnung „uneinsichtige Terroristen“ geführt werden, die Möglichkeit gibt, sich als Freiheitsherold für sowjetische politische Gefangene aufzuspielen.

Und erbärmlich lasch ist Gorbatschow der provokativ vorgetragenen Revanchisten-Forderung nach „Offenheit der deutschen Frage“ entgegengetreten. Aber am schlimmsten ist meines Erachtens, daß er sowjetische Soldaten vor einem Typ wie Dregger hat strammstehen lassen. Kein anderer bundesdeutscher Politiker, auch nicht der Nazi -Führungsoffizier Strauß, hat sich so vehement zu seinen Taten im Dienst der Wehrmachtsmörderbande bekannt, wie Dregfer. Diesem Typ in irgendeiner Form eine militärische Ehre zu erweisen, ist ein Hohn auf die ca. 20 Millionen sowjetischen Opfer des Wehrmachts-Vernichtungskriegs und kann nicht mehr mit „Realpolitik“ entschuldigt werden.

Insgesamt gesehen erscheint eine Korrektur der Gorbatschowschen Appeasement- und Gefälligkeits-Politik dringend erforderlich, und man kann nur hoffen, daß die Partei noch soviel Kraft hat, den bonapartehaften Generalsekretär in eine kollektive Führung einzubinden. (...)

Horst-Dieter Eberle, Stuttgart-Untertürkheim

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