: Richtigstellung
■ Zur Beschäftigung mit Geschichte
In der taz vom 4.11. wurden Sätze, die „eine Redakteurin“ auf dem taz-Plenum zu den Artikeln von Thomas Kapielski gesagt haben soll, zitiert: „Ich habe keine Lust, hier den Mist kleiner Jungs zu verteidigen. Ich weiß nicht, ob ich das Wort aus dem Artikel herausgenommen hätte, weil ich nicht weiß, ob es gut oder böse ist, und ich habe dabei keine Assoziationen. Ich beschäftige mich nämlich nicht mit deutscher Geschichte.“
Vor allem der letzte Satz und der Halbsatz “...ich habe dabei keine Assoziationen“ sind ins Zentrum der öffentlichen Diskussion geraten. Meist werden sie einer der beiden kündigungsbedrohten Redakteurinnen zugeschrieben. Zitiert werden sollte aber ich, die trotz dieser angeblich von mir gesagten Sätze noch nicht kündigungsbedroht ist.
Dieses Zitat ist falsch wiedergegeben und wurde trotz der Zusicherung, es aus dem Artikel zu streichen, und trotz meines ausdrücklichen Protests in die Zeitung genommen.
Die Sätze beziehen sich auf einen längeren Redebeitrag von mir, der, im Gegensatz zu einem Großteil der Debatte nicht auf Tonband mitgeschnitten wurde. Für den taz-Artikel wurden sie anhand von Notizen und Erinnerungen rekonstruiert. Die Wahrnehmung gerade in solchen heftigen Kontroversen ist aber äußerst subjektiv.
Schon während der laufenden Debatte wurde mir klar, daß ich offenbar in dieser Art und Weise mißverstanden worden war. Ein Redebeitrag, in dem ich auf dieses Mißverstehen Bezug nehme, findet sich auf dem Tonband. Der Versuch dieser Richtigstellung wurde nicht in dem taz-Artikel berücksichtigt. Hört sich ja auch knallig an und unterstützt bestens alle weitere Argumentation: „Ich interessiere mich nicht für deutsche Geschichte.“
Mein Beitrag war, wiederum zusammengefaßt und nach meiner eigenen Erinnerung folgender:
Meine Überlegung, über die ich gerne an diesem Abend gesprochen hätte, war die, daß ich - und damit meinte ich ein kollektives wir - noch niemals solche Sätze wie „die Disko war gaskammervoll“ weder gedacht noch geschrieben habe. Ich assoziiere eben nicht in diese Richtung. Bei einer Disko fällt mir keine Gaskammer ein. (Zu dem Wort „Gaskammer“ habe ich freilich genauso viele Assoziationen wie die meisten anderen auch). Ich überlegte weiter, daß das nicht daran liegen muß, daß ich ein besserer Mensch als Thomas Kapielski bin oder daß ich geschichtsbewußter bin als er. Ich vermutete vielmehr, daß ich mich als Vertreterin einer Generation, deren Eltern die Nazi-Zeit selbst nur noch als Kinder miterlebt haben, notwendigerweise auf einer Ebene des Intellekts mit der deutschen Geschichte beschäftige, während diejenigen - wie Kapielski -, deren Eltern selbst Opfer oder Täter waren, noch auf der Ebene der Emotion von ihr beschäftigt werden. Aus dem, was uns emotional beschäftigt und beutelt - man sieht das auch im Traum beziehen wir unsere Assoziationen und Bilder. Mich, so vermutete ich, beschäftige die Geschichte nicht so (d.h. nicht in derselben Art und Weise) wie vielleicht Kapielski. Daß ich - und alle anderen tazler - einen Satz wie er ihn schrieb nicht schreiben und vermutlich nie schreiben würden, zeige also nicht unbedingt unser größeres historisches Bewußtsein.
Vielleicht ist von mir in diesem Zusammenhang und im Eifer des Redegefechts ein polemischer Satz wie „ich beschäftige mich nicht mit deutscher Geschichte gefallen“. Daß er als selbständige und zitierfähige Aussage völlig unbrauchbar ist und meine Ansichten auf den Kopf stellt, kann jeder wissen, der mich und meine Artikel in der taz kennt.
Ziel des Redebeitrags war es, darzustellen, daß der Satz „die Disko war gaskammervoll“ nicht unbedingt von mangelnder Beschäftigung mit der deutschen Geschichte zeugt, was als Vorwurf immer im Raum stand. In einer wirklichen Diskussion hätte sich diese Hypothese vielleicht schnell als nicht stichhaltig herausgestellt. Hier ist sie aber noch nicht einmal als Fragestellung wahrgenommen oder gar verstanden worden.
Gabriele Riedle
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