: Kunst aus Belgien
■ In der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Weserburg/Teerhof sind zur Zeit Werke sieben belgischer KünstlerInnen zu sehen: Eine Mischung aus Skurrilität und Intellektualität
Kunst aus Belgien - wenn überhaupt, gibt es hierzulande darüber nur eine vage Vorstellung, die Altvorderen wie Magritte und Brodthaers fallen einem ein, aus neuerer Zeit auch noch Panamarenko oder Guillaume Bijl, der sein Land auf der diesjährigen Biennale in Vendig vertrat. Aber die Namen der Etablierten können die Gesamtszene nicht erhellen, sie ist zu weit weg von der Basis künstlerischen Schaffens. Wenn es denn eine gibt, wie sieht die junge Kunstszene Belgiens aus? Diejenigen, die Gelegenheit hatten, hinter die Kulissen, sprich in die Ateliers zu schauen, berichten von einer höchst vielfältigen und engagierten Szene, von ebenso phantasievollen KünstlerInnen wie AusstellungsmacherInnen.
So fand es auch Barbara Claasen-Schmal von der GAK an der Zeit, neue belgische Kunst in Bremen vorzustellen, und damit auch eine der Aufgaben der GAK, nämlich die grenzüberschreitenden Kunstpräsentation, wahrzunehmen. Die sieben Künstler, die nunmehr in der Weserburg zu sehen sind, hält sie für durchaus repräsentativ für den Geist, der zur Zeit die Kunstszene in Belgien kennzeichnet: geprägt aus einer Mischung der Skurrilität und Intellektualität, aus Sinn für Materialien und durchdachte Komposition. Beziehungsweise „bedachte“ Kompositionen, denn so
lautet nicht nur der Ausstel lungstitel, sondern auch der Beitrag von Jef Geys.
Bedenkenswert fand er offenbar die Liebe zur kaufhäuslichen Trivialkunst und behängt mit ihren schlimmsten Beispielen eine ganze Wand, ölige Berge und Windmühlen. Ihnen gegenüber die eigenen Arbeiten, konzeptuell ausgerichtete Objekte: so fordern sie einander heraus: die Banalität und die differenzierte Form. Auch Leo Coopers, einer der schon Bekannten, jongliert mit dem Trivialen und irritiert, indem er das darin enthaltene Kitschig-Pathetische noch übersteigert: Auf der Rückseite eines Bildes pausbäckiger Putten wirbeln auf Knopfdruck Federn und Plastikblumen. Alberner Gag oder witzige Persiflage? Paul Sochacki präsentiert zwei große übermalte Fotografien und eine Reihe kleiner ovaler Porzellantäfelchen. Auf ihnen schwimmt inmitten zarter Schattenflecken das Porträt einer Frau, Erinnerung und Traumbild.
Sachlicher geht es bei den Installationen von Bernard Queekers zu: Hauptstück ist ein gläsernes Wandregal, bestückt mit gelben und roten Früchten, Gläsern und Weihnachtskugeln, alles blinkend und kühl, ein ästhetischer Funkenflug, mehr nicht. Gleich daneben aber lodert ein üppiges Feuer, entfacht von Hermann Maes in Malerei und Pla
stik. Schlieren, durchsetzt mit vielen kleinen Farbpartikeln, überziehen massiv und eilig, doch mit gebremster Kraft, die Leinwand. Die hier zurückgehaltene Wucht entfaltet sich in dann endlich in einem von der Decke hängenden Ballen gepreßten bunten Schrotts, dick mit Schmierfett bedeckt. Verwegenes I-Tüpfelchen der kompromißlosen Plastik: zarte weiße Glöckchen am unteren Rand. Man fragt sich, wie sie dorthin gekommen sind.
Aus der Vitalität der Farben führt der nächste Schritt in die Stille, sanft bewegt von präziser Form: Ludwig Vandeveldes schlichte, fein gearbeitete Holzkonstruktionen, zwei große Medaillons, zwei hochbeinige Kästen, ein Quartett aus Streichinstrumenten, entwickelt aus der Dezenz poetische Ruhe. Im letzten Raum schließlich ein unerwarteter Höhepunkt. Jan Fabres Werk besticht durch die Konzeption wie durch die Ausführung. Sein „Huis van Vlamen I en II“ ist ein Mittelding zwischen Holzhaus und riesigem Schrank. Vom Dach bis zum Boden bemalte er diese an sich schon eindrucksvolle Skulptur dicht an dicht mit haarfeinen Kugelschreiberlinien. So vereinen sich Stärke und Sensibilität auf überraschende Weise und ohne, daß sie einander übertrumpfen wollen.
Beate Naß
bis 30.11., Di-Do 10-13, 14-18, Fr 14-21, Sa/So 11-16 Uhr
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