: Jenninger-betr.: "Deutschland,Deutschland", taz vom 11.11.88
betr.: „Deutschland, Deutschland“, taz vom 11.11.88
Wie harmlos ist doch dein Kommentar, lieber Oliver Tolmein, im Vergleich zu sonstigen von dir. Hätte es nicht radikaler heißen müssen: „Jenninger kompromittiert unbewußt die Verdränger der Verdrängung: Kohl und die große Mehrheit“. Meines Erachtens war das überhaupt kein Ausrutscher, sondern Jenninger hat aus der „deutschen Volksseele“ gesprochen, und die wirft auch heute Abgründe auf. Wer hat denn allen Ernstes glauben können, daß nach Jahren massiver Verdrängung und bei weit verbreitetem Antisemitismus (wegen „Unpäßlichkeit“ meist versteckt, unterdrückt) und Ausländerfeindlichlichkeit der Rassismus abgeschafft und die Geschichte des Nationalsozialismus aufgearbeitet ist? Das wäre eine Revolution.
Unglaublich und doch nicht anders zu erwarten, daß keiner der Abgeordneten nach vorne gegangen ist und Jenninger eine symbolische Ohrfeige verabreicht hat oder zumindest laut und energisch protestiert wurde. Und eine Schande, daß ein Repräsentant der Jüdischen Gemeinde nicht nur nicht sprechen durfte, sondern es für ihn aus „Versöhnungsdruck“ (Interview in Tagesthemen 11.11.) anscheinend unmöglich war, durch Verlassen des Raumes zu protestieren, und er so gezwungen war, die Rede Jenningers bis zum Ende anzuhören.
Hubertus Illner, Soest
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