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Damenwahl in Pakistan

Bei den morgigen Parlamentswahlen in Pakistan hat mit Benazir Bhutto zum ersten Mal eine Frau die Chance, Premierministerin zu werden / „Schickt sie zurück nach Europa!“ - die Fundamentalisten wittern „Verwestlichung  ■  Aus Lahore Khawar Mumtaz

Der Feldzug der Benazir Bhutto begann mit einer Zugreise. Als sie in Lahore, ihrem Wahlkreis, aus der Karachi-Bahn stieg, warteten ihre Anhänger schon auf dem Bahnsteig und bereiteten ihr einen enthusiastischen Empfang. Für eine Frau keine Selbstverständlichkeit in einem islamischen Staat. Doch in Pakistans Wahlkampf, der mit der morgigen Wahl zuendegeht, ist nicht weniges neuartig gewesen. Gerade bei den Parteiversammlungen der größten Oppositionspartei, der Pakistan Peoples Party (PPP) von Benazir Bhutto, sind Frauen in großer Zahl anzutreffen, und mehr als andere Parteien hat sich die PPP um diese Wählerschaft bemüht.

Dennoch kreisten die Wahlkampfthemen immer mehr um die negativen Eigenschaften der Kandidaten der jeweiligen Gegenkandidaten, als um die politischen Forderungen. Mustafa Jatoietwa, ein ehemaliger Mitstreiter Zulfikar Ali Bhuttos, der sich von der PPP getrennt und der Muslim League angeschlossen hat, verkündete, Benazir und ihre Mutter verstießen durch ihr Engagement gegen die Grundsätze des Islam. Einer der Jamaat-Islami Führer erdreistete sich gar, die beiden Bhutto-Damen in eine Burqa hüllen und nach Europa schicken zu wollen. Er unterstellte ihnen, sie seien „verwestlicht„- ein beliebtes Attribut, das Fundamentalisten der zunehmend selbstbewußteren Frauenbewegung entgegenhalten.

Nach elf Jahren Militärherrschaft sind die Wahlen nicht nur die ersten, zu denen Parteien zugelassen sind. Es sind diesmal auch Wahlen, bei denen Frauen an prominentester Stelle stehen: Eine Frau kandidiert für das Amt der Premierministerin. Eine bislang nicht dagewesene Zahl von Frauen bewirbt sich für die National- und Provinzparlamente. Obwohl Frauen in Pakistan zur Kandidatur für politische Ämter ansich zugelassen sind, haben in der Vergangenheit nur wenige von diesem Recht Gebrauch gemacht. Die erste Frau, die sich jemals um einen Parlamentssitz bewarb und ihn auch noch gewinnen konnte, wurde 1977, als die PPP noch regierte, von einer der Oppositionsparteien aufgestellt.

Bei dem Referendum von 1985, das von allen größeren politischen Parteien boykottiert wurde, kandidierten bereits 12 Frauen für die 20 Sitze, die ihnen laut Verfassung im Parlament zustehen. Da die gleiche Verfassung allerdings auch eine Bestätigung der gewählten Frauen durch ihre Parlamentskollegen vorschreibt, kam nur eine einzige zu Amt und Würden.

Für die morgen anstehenden Wahlen reichten 27 Frauen ihre Kandidatur ein und weitere 19 für die Frauensitze in den Provinzparlamenten. In der wachsenden Beteiligung von Frauen am politischen Geschehen setzt sich ein schon Anfang dieses Jahrhunderts eingeleiteter Integrationsprozeß der Frauen fort. Doch auch General Zias Diskriminierungspolitik gegenüber Frauen sorgte für deren zunehmende Politisierung und Mobilisierung. Vor allem haben sie es erfolgreich verstanden, Frauenfragen auf die politische Themenliste zu setzen. Fast jede politische Partei schmückt sich inzwischen mit einer Frauensektion. Die PPP, die aussichtsreichste Partei bei den Wahlen, hat sich verpflichtet, sämtliche dikriminierenden Gesetze der Zia-Periode wiederaufzuheben. Selbst die streng fundamentalistische Jamaat-Islami-Partei hat einen langen Frauenpassus in ihr Programm aufgenommen. Vor zehn Jahren noch hat diese Partei Frauen die Mutter- und Gattinenrolle im trauten Heim zugewiesen. Heute heißt es in ihrem Manifest, Frauen müßten von Unterdrückung und Ungerechtigkeit befreit werden. Sie wirbt mit Erholungsprogrammen für bedürftige Frauen und fordert segregierte Frauen-Universitäten und Frauen-Ministerien.

Gegen Zwangsehen

und Pardah

Das radikalste Frauenprogramm jedoch ist von einer PPP -Kandidatin, Shaheeda Jabeen, vorgelegt worden. Sie fordert die gleichen Rechte auf Scheidung für Frauen, wie sie Männern seit jeher vorbehalten sind. Darüber hinaus verspricht sie, gegen Zwangsehen und die Pardah (die strikte Aussperrung der Frauen aus der Öffentlichkeit) vorzugehen. Gleiches Erbrecht für Männer und Frauen, Koedukation und Haftstrafen für Männer, die Frauen belästigen, stehen ebenfalls in ihrem Programm. Unglücklicherweise hat die Partei ihre Kandidatur zu Gunsten eines Mannes zurückgezogen und sie zur Enttäuschung ihrer Anhängerinnen für einen der weniger prominenten reservierten Sitze vorgeschlagen.

Wie sich der gegenwärtige politische Integrationsprozeß auf die Situation der Frauen auswirken wird, bleibt abzuwarten. Zweifelsohne sind Frauen durch jahrhundertealte Bräuche und Traditionen in Pakistan benachteiligt. Aber noch hat jede politische Krise und Umwälzung die Mitarbeit der Frauen erfordert, so etwa bei der Loslösung von Indien 1947 und der darauffolgenden Migrationsprobleme. Dies wiederum hat das politisch Bewußtsein der Frauen geschärft und folglich den Wunsch nach größerer Beteiligung geweckt. Konventionen wurden durchbrochen und Befangenheiten abgebaut. Die gegenwärtigen Wahlen sollten als ein weiterer Schritt in diese Richtung betrachtet werden und sind schon allein unter diesem Gesichtspunkt ein Erfolg - auch wenn es morgen in Pakistan keine Premierministerin geben sollte.

Die Autorin ist führendes Mitglied der All Pakistan Women Association in Lahore und Verfasserin von Two steps forward and one step behind - women in Pakistan, erschienen bei Z-Press.

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