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Wie eine „Mücke“ gegen den „Elefanten“

■ Das Bremer Stadt- und Polizeiamt wird reorganisiert, in Verwaltungs- und Vollzugspolizei geteilt, als Mammutbehörde zerschlagen / Scheidender Innensenator Bernd Meyer hat weitreichende Pläne entwickelt / Diskussion verwaltungs-intern

Während sich im Vordergrund des politischen Geschehens das Personalkarussell dreht und täglich neue Namen ins Gespräch bringt, dabei die von gestern wieder aus dem Gespräch kommen, ist völlig unabhängig von den gehandelten Namen im Hintergrund eine völlige Reorganisation des Stadt- und Polizeiamtes vorbereitet worden, die für die Praxis des polizeilichen Handelns weitreichende Auswirkungen haben kann.

Bernd Meyer, der auch nach eigener Formulierung zu dem Amt desInnensenators gekommen ist

wie „die Jungfrau zum Kinde“, hat im Laufe seiner kurzen Amtsperiode den Ehrgeiz entwickelt, die Mammutbehörde Stadt und Polizeiamt zu zerschlagen. Wie eine Mücke, so Meyer, komme er sich mit seinen 80 Leuten der Innenbehörde bei dem Versuch vor, die politische Verantwortung für das Verhalten des „Elephanten“ Stadt- und Polizeiamt, einen Apparat mit weit mehr als 2.000 Beamten, wirklich zu übernehmen. Weder funktioniere der Informationsaustausch, erklärt Meyer dieses Verhältnis, noch gebe es die Möglichkeit, in den Polizeiap

parat hineinzudirigieren. Wenn allerdings etwas schief geht, dann ist dafür der Innensenator verantwortlich und nicht der Polizeipräsident.

Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der Polizeipräsident Ernst Diekmann, der in diesen Wochen in Rente geht, hat ein Papier unterschrieben, in dem eine vernichtende Kritik seines eigenen Apparates anläßlich der bei der Geisel -Affaire zu Tage getretenen Mängel in der Organisation geübt wurde.

Meyer hat in den Monaten seiner Amtszeit weitreichende Vorstellungen zur Reorganisation des Apparates entwickelt und nach der Geisel-Affaire dem Personalrat zur Zustimmung vorgelegt. Danach soll der gesamte Verwaltungsteil - vom Ausländeramt bis zum Einwohnermeldeamt - als „Stadtamt“ zusammengefaßt

werden.

Abgetrennt davon bliebe der Bereich der Vollzugspolizei, dessen „Präsident“ dann ein Vollzugsbeamter sein könnte, der nach Bedarf selber auch „Polizeiführer“ spielen könnte. Denn auch die innere Führungsstruktur ist nach der Überzeugung des über die Geiselaffaire gestürzten Innensenators nicht effektiv. Denn im Krisenfall muß nach der derzeitigen Struktur ein „Stab“ neuer Leute zusammengetrommelt werden, „wenn um 14.28 Uhr eine 'Sonderlage‘ eintritt“, der in dieser Besetzung nur „zwei oder drei Mal in fünf Jahren geübt“ habe“. Andernorts ist längst eine Organisationsform üblich, in der ein ständiger Führungsstab verschiedene Polizeifunktionen zentralisiert und bruchlos in Krisensituationen die Verantwortung übernehmen kann.

Ein wichtiger Aspekt der Effektivierung des polizeilichen Apparates für Meyer ist die Verbesserung der technischen Ausstattung. So hat der Senat in seiner Finanzklausur ca. 9 Millionen Mark bewilligt, mit denen der Fuhrpark und die Telefonanlage der Polizei modernisiert und die technischen Einrichtungen der Kripo verbessert werden sollen. Allein neue Funk-Einrichtungen sollen für 2,7 Millionen Mark angekauft werden.

Die für die Polizei zuständige Deputation der bremischen Bürgerschaft weiß von den Plänen der Neuorganisation offiziell noch kaum etwas. Nicht mangelnde Effizienz war für Martin Thomas, dem Vertreter der Grünen in der Innendeputation, der eigentliche Skandal bei der Geiselaffaire, sondern die fehlende politische Zielsetzung beim polizeilichen

Einsatz, die dem Schutz der Geiseln auch vor Ort den Vorrang vor der Ergreifung der - bekannten - Täter eingeräumt hätte.

K.W.

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