: INS NICHTS MIT IHM...
■ Wiederaufnahme der „Verurteilung des Lukullus“ an der Staatsoper
Was der römische Feldherr Lukullus im Totenreich erfährt, ist scheinbar eine „verkehrte“ Welt, denn dort gelten andere Werte, Gut und Böse werden anders beurteilt als auf der Erde, die er soeben mit feierlichem Totenzug verließ. Dazu paßt, wie Ruth Berghaus das Publikum mit ungewöhnlichen, ebenso „verkehrten“, räumlichen Verhältnissen in ihrer aus dem Jahre 1983 stammenden Inszenierung von Paul Dessaus Oper „Die Verurteilung des Lukullus“ konfrontiert (es ist zugleich ihre dritte Inszenierung seit 1960 für die Lindenoper). In dieser Version ist nämlich die Trennung von Bühne und Zuschauer aufgehoben: Der Chor sitzt im Parkett, das Orchester hat auf der Bühne Platz genommen. Wenn die Stimmen des Totengerichts anheben, wird es im Saal hell. Wir alle sollen die Richter sein (so die Idealvorstellung der Oper). Auch läßt Bertolt Brechts Text zu dieser Oper darüber keinen Zweifel, wie die kriegerischen Taten des Feldherrn zu beurteilen sind (ein monumentales Fries soll, wie üblich, das heldische Leben für die Nachwelt konservieren), denn das Urteil lautet am Ende des Verhörs: „Ins Nichts mit ihm und mit allen wie er.“ Da blieb an dem Feldherrn kein gutes Haar, selbst die Fürsprache seines Kochs, der Lukullus immerhin als Feinschmecker und Schöpfer delikater Saucen lobt, fällt nicht ins Gewicht.
Die Enstehungs- und Aufführungsgeschichte von Brechts ursprünglich einmal als Hörspiel gedachten und 1951 dann mit der Musik von Dessau als Oper herausgebrachten Lukullus-Text vermittelt nicht weniger ein politisches Lehrstück als der Lukullus-Stoff selbst. Denn 1951 brachte die Oper den beiden Autoren einen schweren Verweis durch die DDR-Oberen ein. Die monierten sowohl die pazifistische Richtung als auch die fehlende Rechtfertigung von Verteidigungskriegen, und überhaupt ließ sich Dessaus spröde Musik, die das 'Neue Deutschland‘ als formalistisch verwarf, nicht mit den Idealen des sozialistischen Realismus vereinbaren. Die Folge waren Änderungen im Text und in der Musik. Brecht kommentierte später: „Wo sonst in der Welt gibt es eine Regierung, die so viel Interesse und Fürsorge für ihre Künstler zeigt!“ Dessaus in der Tat recht unfreundliche Musik wird von Blechbläsern und Schlagwerk dominiert. Allein Lukullus, den Peter-Jürgen Schmidt verkörpert, ist es vorbehalten, „schön“ zu singen (wenn auch mit etwas Mühe), ihm sind die opernhaften, vom Akkordeon begleiteten Tenorarien gewidmet. Auf emotionell ansprechende Höhepunkte mochte indes der Komponist, trotz beabsichtigter kritischer Distanz beim Hörer, nicht verzichten - so etwa in der koloraturenreichen Erzählung der Königin (Kirsten Bertkau) oder mit der Klage des Fischweibs (Uta Priew), der Ruth Berghaus eine zentrale Bedeutung beimißt, weil es darin auch um Hoffnung geht.
Bei aller Verehrung für die Meister, bei aller Begeisterung für eine spannende, um Aktualität und modernen Ausdruck bemühte Inszenierung - aber wer brauchte wirklich eine Oper, um erst durch sie Krieg als Schrecken, Unrecht als endloses Leid zu begreifen? Trotzdem, es wäre kein Text von Brecht, wenn er bloß auf plattes Einverständnis abzielte. Und bei aller Sprödigkeit und rezitativischen Strenge in Dessaus Musik dürfen doch auch einige „lukullische“ Momente als Opernerlebnis mit nach Hause genommen werden.
ec
Noch eine Vorstellung: heute um 19.30 Uhr in der Staatsoper
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