Erster Wahlgang nach der Diktatur

■ Ergebnisse der Parlamentswahlen in Pakistan nicht vor Sonntag / Frauen durch Wahlmodus benachteiligt / Auch wenn „Pakistan Peoples Party“ gewinnen sollte, ist Benazir Bhutto noch lange nicht Premierministerin / Kandidatin „verwestlicht“

Berlin (taz) - Militärpatrouillen kontrollierten gestern in Pakistan den störungsfreien Ablauf der ersten freien Parlamentswahlen seit 1977. In den Städten Hyderabad und Karatschi, wo Ende September bei Zusammenstößen zwischen verfeindeten Volksgruppen 300 Menschen umkamen, wurden an wichtigen Straßen und Plätzen zusätzliche Militärposten eingerichtet. Für hitzige Diskussionen sorgte in den letzten Tagen auch die Frage, wer überhaupt wWählen darf. Nur wer im Besitz eines Personalausweises ist, durfte sein Votum abgeben. Benachteiligt wurden durch diese Klausel insbesondere Frauen, die in manchen Regionen zu 80 Prozent über eine solche „Shenakhti-card“ nicht verfügen, aber auch Dorfbewohner und Angehörige der untersten Schichten - in erster Linie also potentielle Wähler der „Pakistan Peoples Party“ (PPP), so will es die Partei von Benazir und Nesrat Bhutto jedenfalls wissen.

Ausgeschlossen werden sollte auf diese Weise ein für pakistanische Verhältnisse nicht unübliches Doppelvotum. Doch selbst offizielle Stellen mußten zugeben, daß sie in den letzten Wochen nicht in der Lage waren, alle Wahlberechtigten mit einer Shenakhti-card zu versorgen. Abstimmen sollten die 48 Millionen Wahlberechtigen über 217 der 237 Parlamentssitze, von denen im „Land der Reinen“ 20 für Frauen reserviert sind, die erst später durch das Parlament bestätigt werden. Indirekt wird auch der zukünftige Premier gewählt - das Amt, für das Frau Benazir Bhutto in den Wahlkampf gezogen ist. Doch selbst wenn sich am Sonntag endgültig herausstellen sollte, daß ihre Pakistan Peoples Party eine Mehrheit gegenüber ihrer stärksten Gegnerin, der „Islamischen Demokratischen Allianz“ (IDA), erringen sollte, ist nicht sicher, ob es damit einer Frau gelingen wird, an der Spitze eines islamischen Landes zu stehen. Ungewiß bleibt nämlich, ob die dazu erforderlichen Verfassungsänderungen auch eingeleitet werden und das Amt des Premiers durch das gesamte Haus bestätigt werden wird. Der im Sommer bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Präsident Zia-ul-Haq zog es indessen vor, seinen Premierminister handzuverlesen, um ihn im letzten Mai von eigener Hand auch wieder entlassen zu können.

Hinzu kommt, daß die PPP bei der Nominierung ihrer Kandidaten in den letzten Wochen Zugeständnisse an einflußreiche Militärs und Grundbesitzer gemacht hat. Die PPP führt ohne ihr langjähriges Feindbild, den „Vater -Mörder“ Zia-ul-Haq, keinen leichten Wahlkampf. Diesmal hatten auch ihre Gegner das Andenken eines Mannes, dessen Absturz nach elfjähriger autokratischer Herrschaft die Nation der Gläubigen Muslims zu Tränen rührte, hochgehalten. Ihre wichtigsten Programmpunkte, versprochene Landreformen und eine Veränderung der Außenpolitik gegenüber Afghanistan, vermochte die Bhuttotochter gegen mächtigere US-Interessen nicht aufrechtzuhalten.

Auch eine PPP-Regierung wird auf die US-Kredite in Milliardenhöhe angewiesen sein. Das Feindbild der unter der IDA vereinigten religiösen Rechtsparteien hat mit der Kandidatur einer im Ausland studierten und „verwestlichten“ Premierministerin und der PPP-Parteivorsitzenden Nesrat Bhutto erst Konturen angenommen.

zi