Realpolitisches

■ Rumäniens Conducator Ceausescu besucht die DDR

Nicht zu einem prunkvollen „Staatsbesuch“, sondern zu einem nüchternen „Arbeitsbesuch“ wird Ceausescu heute in Ost -Berlin empfangen. Für den „größten Sohn des Rumänischen Volkes“ ist das schon fast eine Beleidigung. Aber so lassen sich häßliche Proteste wegen Brasov undsoweiter vermeiden, und ansonsten ist das Verhältnis der beiden Staatsführungen ja sehr harmonisch.

Das war nicht immer so. In den sechziger und siebziger Jahren war die DDR unter den „anderen sozialisitischen Staaten“ der alleruntertänigste Verbündete der Sowjetunion. Rumänien hingegen verweigerte die volle Integration in den RGW, verurteilte 1968 den Einmarsch in die CSSR, suspendierte weitgehend seine Mitarbeit im Wahrschauer Pakt und hielt diplomatische Beziehungen zu Staaten wie China und Israel aufrecht, als das verpönt war. Das brachte nicht nur Ruhm, sondern auch günstige Konditionen für westliche Kredite. Der innere Terror kümmerte die offiziellen Menschenrechtskämpfer hierzulande damals nicht. Man ging da realpolitisch vor.

Nun sperrt sich die SED-Führung selber gegen sowjetische Einflüsse und wird so zu einem natürlichen Verbündeten des Conducator, mit dem sie sich taktisch und strategisch absprechen muß. Deshalb sollte man aber die inneren Gemeinsamkeiten beider Länder nicht überschätzen. Die inneren Verhältnisse Rumäniens entsprechen nicht einmal im Denken Kurt Hagers dem korrekten Weg zum Sozialismus.

Daß in der DDR nur Gutes über Rumänien gesagt werden darf, folgt dem „Prinzip der Nichteinmischung“, an das sich die DDR-Führung und die DDR-Zensur gegenüber jeweils befreundeten Staaten immer sorgfältig gehalten haben. Die Außenpolitik der DDR ist moralisch nur dort, wo sie es mit ihrer „Realpolitik“ vereinbaren kann. Aber das ist ja weltweit üblich.

Erhard Stölting