Grundrechte mit Füßen getreten

■ Diskussionsveranstaltung zu §129a-Prozeß faktisch verboten / Gericht beschließt Selbstzensur der Referenten

München (taz) - Die geplante Veranstaltung zum Münchner §129a-Prozeß fand am Montag abend ein schnelles, von den Veranstaltern selbst gesetztes Ende. Die vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) erlassenen Auflagen kämen einem Verbot der Veranstaltung gleich, so Versammlungsleiter Fochler. Auch Wolfgang Bendler von der Initiative Bayerischer Strafverteidiger sieht in den „knebelartigen Auflagen die Totalzensur über den Gegenstand der Veranstaltung“. Sein Kollege Michael Moos, der die Angeklagte Janin S. verteidigt und auf der Veranstaltung über diesen Prozeß sprechen wollte: „Die Verfahrensweise der Behörden tritt jedes Versammlungsrecht mit Füßen.“

Unter den Augen mehrere Hundertschaften Polizei, die das gesamte Viertel dezent abgeriegelt hatten, verließen die Veranstalter und die rund 300 Besucher den Versammlungsort. Das KVR hatte Fochler in einer Verfügung verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß Janin S. Und Wolfgang K. keine Äußerungen über das gegen sie laufende Strafverfahren machen dürfen. Weiter sollte Fochler gezwungen werden, „eng mit der Polizei zusammenzuarbeiten“. Er sei verpflichtet, die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen. Die Veranstalter versuchten am Montag - erfolglos - in einem Eilverfahren diese Auflagen vom Verwaltungsgericht aufheben zu lassen. Das Versammlungsziel könne auch mit den einschränkenden Auflagen erreicht werden, so die Richter. Gleichzeitig ging die Kammer jedoch davon aus, daß im Rahmen des Rechts der Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch über abgeschlossene und laufende Prozesse gesprochen werden dürfe. Mit diesem widersprüchlichen Beschluß wollten die Münchner Verwaltungsrichter den Eindruck vermeiden, selbst zu zensieren. Die Veranstalter und Referenten sollten sich in Selbstzensur üben.

Die Initiative Bayerischer Strafverteidiger prüft derzeit, wie gegen die Verfügung des KVR im nachhinein gerichtlich vorgegangen werden kann. Insbesondere die polizeiliche Überwachung der Kurzveranstaltung mittels Tonbandaufnahmen müsse angefochten werden. Veranstalter Fochler hat deshalb bereits Strafanzeige gegen den polizeilichen Einsatzleiter gestellt. Der Prozeß gegen Janin S. und Wolfgang K. wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

lui