: Fernsehen als Geschäft
■ Fernsehkönig Berlusconi und sein Reich
Dienstags ist „Dallas„-Tag. Nicht nur bei uns in der Bundesrepublik und dem angrenzenden Empfangsraum, sondern auch im sonnig-südlichen Italien, wo Fernsehkönig Silvio Berlusconi sein TV-Imperium aufgebaut hat. Auf seinem hauseigenen „Canale Cinque“ läuft dienstags um 20 Uhr 30 Dallas. Kaum hat J.R. sein intrigantes Spiel beendet, kriegen die „Denver„-Fans feuchte Hände, denn direkt im Anschluß wird auf dem gleichen Kanal der Denver-Clan ausgestrahlt. Doch damit nicht genug: Kaum hat sich Alexis zu einem entspannenden Schaumbad zurückgelegt, um Serie Serie sein zu lassen, flimmern gleich Die Colbys über den Schirm.
Natürlich, so möchte man meinen, kann der kulturbeflissene oder politikfreudige italienische Fernsehzuschauer auf einen anderen Kanal ausweichen. Doch siehe da, Herr Berlusconi besitzt nicht nur „Canale Cinque“, sondern auch noch die Kanäle „Italia Uno“ und „Rete Quattro“, die ebenfalls beide Vollprogramm senden. Und während also Dallas und Denver laufen, kann der geneigte Zuschauer sein im Takte des Bildschirmflimmerns schlagendes Herz auf den beiden anderen Kanälen mit Filmen erfreuen.
Am 1.November lief um 20Uhr30 auf „Italia Uno“ der Film mit Arnold Schwarzenegger und Grace Jones, Conan, der Barbar, und zur gleichen Zeit auf „Rete Quattro“ ein John -Ford-Film mit John Wayne und Maureen O'Hara. Die staatlichen Kanäle der RAI setzen ebenfalls mit Filmen und einem Variete-Programm dagegen, so daß „anspruchsvollere“ Sendungen keine Chance haben. Bei dieser Programmgestaltung nimmt es nicht Wunder, wenn sich die Einschaltquoten in etwa die Balance halten: die drei Berlusconi-Networks haben zusammen etwa genausoviel Zuschauer wie die drei Programme der staatllichen RAI, nämlich zwischen 40 und 45 Prozent.
Der private Medienzar Berlusconi sendet jedoch nicht nur Populäres, sondern seit dem 2. Oktober auch täglich zwei Nachrichtensendungen. Bisher waren die den Privaten aufgrund eines Dekrets des italienischen Postministeriums verboten. Auch Live-Sendungen dürfen nicht ausgestrahlt werden. So muß denn Berlusconi die Übertragungsrechte für die Europapokal -Spiele seines eigenen Fußball-Klubs, des AC Mailand, an die RAI verkaufen.
Dokumentationen sind fester Bestandteil des Programms der privaten Senderkette. Berlusconi kennt da keine falsche Scham, denn Fernsehen als Geschäft zu betreiben, heißt, alles zu senden, was hohe Einschaltquoten sichert - egal ob es sich um ein flammendes Plädoyer für den bewaffneten Widerstand oder einen japanischen Zeichentrickfilm für Kinder handelt. Hauptsache die Werbekunden investieren weiter. Darüber hinaus hat der „Medienzar“ im ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi einen einflußreichen politischen Freund. Dank dieser Freundschaft können sich seine Medienaktivitäten fast ungehindert entfalten.
Begonnen hat alles damit, daß der „Baulöwe“ Berlusconi im Nordosten von Mailand vor etwa 20 Jahren das Wohngebiet „Milano 2“ für etwa 10.000 Bewohner aus dem Boden stampfte. Dort wurde ein großer Kinosaal eingerichtet. Aber 1973 kam man dann auf die Idee, den Bewohnern das „Kino“ lieber ins Haus zu liefern. Aus dem Kinosaal wurde flugs ein Sendezentrum, „Telemilano 2“ war geboren. Zunächst sendete man drei Stunden am Tag nichts anderes als Filme. Heute gibt es Programme rund um die Uhr, zudem hat sich die Ausstrahlungsleistung des Senders erhöht.
Doch die Fernsehaktivitäten blieben nicht lange auf Mailand beschränkt. 1980 wurde „Canale Cinque“ gegründet, mit einem Sendenetz in ganz Italien. Zwei Jahre später erwarb man von der Verlagsgruppe Rusconi „Italia Uno“, um dann 1984 mit der Übernahme von „Rete Quattro“ vom Verlag Mondadori das Fernsehreich zumindest in Italien zu vervollständigen. Heute ist man im Hause Berlusconi der Ansicht, daß der Fernsehmarkt im „Stiefel“ ausgeschöpft sei, zumal sich die Werbezeiten mit Rücksicht auf die Einschaltquoten nicht endlos ausdehnen lassen.
Zum Imperium des Silvio Berlusconi, dessen Aktivitäten in der Holding FININVEST AG (Finanziaria d'Investimento S.p.A.) zusammengefaßt sind, gehören neben Versicherungen, Immobilienfirmen, einer Firma, die Software für Bürokommunikation entwickelt, auch der Fußball-Klub AC Mailand, der dem Unternehmensbereich „Cinema e Spettacoli“ (Kino und Schauspiel) zugeordnet ist. Ferner die Tageszeitung 'Il Giornale‘, die auflagenstärkste TV -Programmzeitschrift in Italien, 'TV Sorrisi e Canzoni‘, das „Teatro Manzoni“ in Mailand, 305 Kinos in ganz Italien, mehrere Filmverleihe (erst Ende Oktober übernahm FININVEST zu 100 Prozent den Verleih „Medusa“, der Filme wie Dörries‘ Ich und er oder Formans Amadeus im Programm hat) sowie die Werbeakquisitionsgesellschaft „Publitalia“, die im Palazzo Verocchio in „Milano 2“ residiert.
Mit „Reteitalia“ wurde eine Programmgesellschaft gegründet, die inzwischen etwa 60 Prozent aller italienischen Filme koproduziert. Nach Angaben eines Sprechers der FININVEST besitzt „Reteitalia“ Filmrechte im Wert von ca. 4,2 Milliarden Mark, unter anderem die Weltrechte an allen Bertolucci-Filmen. Berlusconi ist mittlerweile auch der größte Filmproduzent in Italien.
Wer Fernsehen und Film als Geschäft betreibt, ist natürlich an der Erweiterung des Marktes interessiert. Während man in einigen europäischen Ländern noch nach Fernsehpartnern sucht, ist man in Frankreich („Le Cinq“) und Spanien („TV-3 Catalunya“) bereits aktiv. In der Bundesrepublik ist Berlusconi mit 45 Prozent an der Münchener „Kabel Media Programmgesellschaft“ beteiligt, deren Programm seit Januar auch nicht mehr Musicbox, sondern eben berlusconiesk Tele 5 heißt. In der Fernsehwerbung ist man europaweit engagiert.
Seit fünf Monaten besteht gar ein Werbevertrag mit dem sowjetischen Staatsfernsehen, während mit dem chinesischen Fernsehen zur Zeit noch verhandelt wird. 1986 gründete Berlusconi zusammen mit Leo Kirch, Robert Maxwell und Jerome Seydoux zwar nicht den Stammtisch der Medienmogule, aber das „Consorzio Europeo per la Televisione Commerciale“ (C.E.T.C.), das bereits einige Mini-Serien produzierte.
Berlusconi ist bestens darauf vorbereitet, wenn 1992 die europäischen Grenzbäume bersten (Hallo, Dichter! d.S.) und das Gedränge auf dem gemeinsamen Markt der ökonomischen Möglichkeiten und kulturellen Eitelkeiten losgeht. Denn dann werden auf dem europäischen Film- und Fernsehmarkt nur die kapitalstärksten Unternehmen überleben. Einer von ihnen wird Silvio Berlusconi sein, der allerdings eines bei seinen TV -Aktivitäten bisher gelernt hat: Erfolgreiches Fernsehen mit hohen Einschaltquoten läßt sich nur realisieren, wenn der Werbeanteil begrenzt ist und im Programm auf die nationalen und regionalen Bedürfnisse der Zuschauer eingegangen wird.
Lothar Mikos
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