Blick von außen auf die taz

■ 'Arbeiterkampf‘ zur Antisemitismusdebatte: „Schlimme Wörter, null Gedanken?“

Beim Lesen der taz-Debatte um die Verwendung von nazistischem und in die NS-Zeit weisendem Vokabular konnte der fatale Eindruck entstehen, als ginge es hierbei um den geradezu taz-klassischen links-rechts-Konflikt. Der Eindruck wurde von den beiden sich befehdenden Seiten auch nach Kräften verstärkt: die einen wollten sich damit zu Opfern der etablierten rot-grün-SchreiberInnen stilisieren, den anderen kam der Anlaß gerade recht, um längst geübte Schläge gegen Linke auszuteilen. Daß dieses Schema alles andere als passend ist, kann in der gerade erschienenen Ausgabe des 'Arbeiterkampfs‘ nachgelesen werden. In einem ausführlichen Artikel wird dort am Beispiel der Wortschöpfungen „gaskammervoll“ von Kapielski und „Euternasie“ von Droste analysiert, was genau den Skandal dieses Sprachgebrauchs ausmacht. Dabei wird der inhaltliche Kontext der einzelnen Artikel, aber auch, anhand des verständnisheischenden Artikels von Thierry Chervel, deren Stellenwert im taz -Gesamtkonzept gesehen: „Immer ist es so gewesen, daß die taz in aller Frische Schläge auf Geschlagene verteilte, naßforsch, schnoddrig, skrupellos und anschließend waren die Schläger sensible kleine Kinder, die doch nur sich selber quälten...Nicht eigene Vernichtungsängste lagen Kapielskis Wort zugrunde. Das 'gaskammervoll‘ galt den Anderen, war als verächtliche Qualifizierung des Disko-Publikums gemeint. Nicht eigene Vernichtungsängste führten Droste zum Gedanken an Euthanasie, sondern der Spott über einen Zusammenschluß von Frauen, die sich wehren wollen.“ Daß die Kritik an der taz neben einem bösen und treffenden Kommentar über Jenningers „Doitsche Panne“ steht, ist peinlich - nicht für den 'AK‘, sondern für die taz.

Ein Blick in die Oktober-Ausgabe, in der sich 'konkret‘ scharf gegen die zeitweilig an der Hafenstrasse angebrachte Parole: „Boykottiert Israel - Palästina, das Volk wird dich befreien“ argumentiert hat, dürfte klarmachen, daß die in den letzten zwei Wochen diskutierte Form von Vergangenheitsverdrängung und -verharmlosung weitaus eher ein Problem von Zeitgeist, als von linkem Journalismus ist.

Oliver Tolmein

'Arbeiterkampf‘ 300, 40S., 5DM, im linken Buchhandel oder über Lindenallee 4, 2000 Hamburg 20